Die Cistercienser wider Gratians Dekret.
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Beschluß des Cistercienser Generalkapitels von 1188 nichts
zu tun. Vielmehr-dürfte er veranlaßt sein durch die Zu-
wendung einer Dekrethandschrift an die Abtei Clairvaux,
die nicht lange vorher der Cistercienser Mönch und ehe-
malige Bischof von Auxerre Alanus gemacht hatte. Das
Generalkapitel scheint gefürchtet zu haben, daß das eben
aufkommende und zur Mode werdende Studium des kirch-
lichen und im Zusammenhang damit des weltlichen Rechts
die Erfüllung der Ordenspflichten und den auch nur be-
schränkten Betrieb der Theologie, der im Orden herkömm-
lich war, gefährden könnte. Dazu kamen Bedenken im
einzelnen, die sich wahrscheinlich aus dem Gegensätze er-
gaben, in dem sich gewisse Ausführungen Gratians, z. B.
über die Beteiligung der Mönche an der Seelsorge, über
Barchen- und Zehntbesitz und über Zehntfreiheit der Orden,
zu den Grundgesetzen und den Überheferungen des Cister-
cienserordens befanden. Auf solche, in ganz besonderen
Verhältnissen begründete Weise erklärt sich der viel er-
örterte Generalkapitelsbeschluß von 1188. Nicht allgemein,
nicht grundsätzlich lehnt er das Werk Gratians ab. Unter
Umständen, im Bedarfsfälle soll es ja auch nach ihm zu
Rate gezogen werden. So war es schon vorher gehalten
worden, nämlich da, wo Gratians Material und Ausfüh-
rungen geeignet erschienen, den Standpunkt, den die Cister-
cienser in dieser oder jener Einzelfrage einnahmen, zu
stützen, z. B. in dem Streit über die Zulässigkeit des Über-
gangs zu einem strengeren Orden.1) In dem bekannten
Dialogus inter Cluniacensem et Cisterciensem monachum2)
beruft sich der Verfasser, der selbst zehn Jahre lang dem
Cluniacenserorden angehört hatte und dann Cistercienser
Trotzdem sie nur im Hinblick auf deutsche Verhältnisse geschrieben
sind, geben sie doch, weil unmittelbar aus der Fülle des Quellenmaterials
geschöpft und die Tatsachen nach allen Seiten hin berücksichtigend und
beleuchtend, ein abgerundetes und völlig zutreffendes Bild des geschicht-
lichen Verlaufs, das um so stärker wirkt, als es im Rahmen der Gesamt-
entwicklung sich hält und nicht von einem Rechtshistoriker entworfen ist.
x) Vgl. dazu Deutsch in Hauck-Herzogs Realenzyklopädie II3,
Leipzig 1897, S. 638.
2) III c. 30 bei Martene et Durand, Thesaurus V, Parisiis 1717,
col. 1641.