Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (3 (1913))

Das kanonische Recht in Böhmen und Mähren.

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logie mußte in der heiligen Schrift ihre ausschließliche Quelle
finde«, und die Philosophie betrachtete das Verständnis der
Lehre des Aristoteles als das Problem, dessen Lösung das
Ziel der Forschung bildete. Durch Vermittlung der Schriften
des Boethius wurden hervorragende italienische Glossatoren
(Joannes Bassianus, Azo, Hugolinus) mit den Ansichten des
Aristoteles bekannt und mit der Behandlungsart einer Materie
nach den Gesichtspunkten der causa efficiens, materialis,
finalis et formalis vertraut. Was lag näher, als diese Be-
handlungsweise auch auf den Rechtsstoff anzuwenden? Leider
wurde, je länger je mehr der Kern, nämlich der Gesetzes-
text, durch den Nebel der Glosse verhüllt und immer mehr
trat die geistige Durchdringung einer positiven Norm zurück
vor weit ausgesponnenen Zweifeln, die sich in eine unüber-
sehbare Reihe von Gründen und Gegengründen auflösten.
Die aufgeworfenen Dubia sodann durch Distinktionen in
Harmonie zu bringen, wurde häufig vergebens angestrebt.
Die Gleichförmigkeit der Behandlung des Rechts1) an
den mittelalterlichen Universitäten wurde noch gefördert
durch die Gleichheit des Lehrgegenstandes sowie die gleichen
Anschauungen über das Verhältnis der Kirche zum Staat
und endlich durch die gleiche, nämlich lateinische Lehr- und
Schriftsprache. Nur Bücher für den unmittelbaren Gebrauch
der Seelsorger (summae poenitentiae) wurden in die Volks-
sprache übersetzt, um dem Priester im Verkehr mit den
Gläubigen das benötigte Hilfsmittel in passendster Form in
die Hand zu legen.2)
Die Vorträge konzentrierten sich auf die unter dem
Gesamtnamen des corpus juris canonici umfaßten Sammlungen,
die aber auch für die scheinbar selbständigen Vorträge die
Grundlage bildeten, indem diese nur einzelne Bruchstücke
der einen oder anderen Sammlung als Basis ins Auge faßten.
An die Erklärung des Legaltextes schloß sich die Verweisung
*) Schulte, Quell, und Lit. II 8. 468, 470tf. — 2) Der aus dem
Kloster zu Raudnitz herrührende, derzeit in der Prager Univ.-Bibl.
befindliche Miszellanband (sign. III D 16) enthält einen tractatus de
poenitentia, welcher mit den Worten: „Habent Moysen et prophetas,
audiant illos“ beginnt, in lateinischer Sprache und deutscher Über-
setzung. Ein anderes Stück dieses Bandes weist als Entstehungszeit
das Jahr 1430 auf.

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