Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (3 (1913))

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Walther v. Hörmann,

den kritischen Abdruck des Manuskripttextes folgen lassen,
nicht ohne Vorteil sein, die erreichten Ergebnisse kurz
zusammenzufassen.
Das sog. poen. Martenianum ist eine zum Teil ungeordnet
gebliebene Sammlung von Rechtssätzen über Bußerteilung
und Bußleistung, vermengt mit anderen Aussprüchen kano-
nischen Inhalts. Sie ist in den ersten zwei Dezennien des
9. Jahrhunderts, wahrscheinlich in der Zeit zwischen 802 und
813 im nord- oder mittelfränkischen Kirchengebiete, mutmaß-
lich von einem Mönche oder Kleriker der Diözese Orleans ver-
faßt worden und in einer jetzt in der Bibi. Mediceo-Laurentiana
zu Florenz wiedergefundenen Handschrift erhalten, die ur-
sprünglich der Benediktinerabtei von Fleury bei Orleans gehörte
und nach ihrem Inhalte wie Schrifttypus nach 812, spätestens
gegen die Mitte des 9. Jahrhunderts geschrieben wurde.
Seiner Anlage wie Materialsammlung nach gehört das
Bußbuch in jene Gruppe fränkischkirchlicher Poenitentialien,
welche um die Wende des 8. und zu Beginn des 9. Jahr-
hunderts ziemlich systemlos, aber möglichst erschöpfend Buß-
sätze der verschiedenartigsten Herkunft und Anschauung
zusammenzustellen suchen. Dementsprechend bringt das p.
Martenianum sowohl Material aus einer allgemeinkirchlichen
Iicchtssammlung (Sammlung von Angers) wie partikular-
kirchliche Normen und Bußsätze aus den wichtigsten Judizien-
gruppen (theodorischer, cummeanischer und fränkischkolum-
banischer Bußdisziplin), benutzt dabei auch die irische Canones-
sammlung und einzelne gesondert verbreitete Quellenstücke.1)
Der Autor ist bestrebt, ohne in seiner Stoffverteilung
l) Die von Maaßen, Quellengeschichte 8. 844 aufgestellte An-
nahme, daß das p. Martenianum einen großen Teil seines Stoffes aus
einer Quelle geschöpft habe, aus der auch die gallische Sammlung
in 400 Kapiteln vorzugsweise ihr Material an Poenitentialnormen
geschöpft habe, dürfte sich wahrscheinlich auf die Benutzung des
Poen. Cap. Iudic. durch beide beziehen, steht aber mit unseren
Ergebnissen insoweit in Widerspruch, als auch eine Benutzung des
p. Merseburgense a sowie die Aufnahme von Kapiteln, die wir
nirgendwo anders finden, behauptet wird. Das p. Merseburgense gehört
nach den Ausführungen I, 234, vgl. 207 Anm., II, 151 Anm. 1
jedenfalls der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts, wahrscheinlich erst
dem Ende desselben an, während das jüngste Stück der Sammlung
in 400 Kapiteln eine angebliche Dekretale des Papstes Sergius (687—701)

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