Der Prozeß im Decretum Gratiani usw.
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Auf eigenem Boden stehen im Dekret nur die Ausführungen
über die exceptio spolii. Hier wird in zwei besonderen
Quaestiones unter Berufung auf zahlreiche pseudoisidorische
Kanoncs die Lehre niedergelegt, daß gegen einen Spoliierten
vor seiner Restitution weder eine Verhandlung noch auch
nur eine Ladung stattfinden dürfex); und zwar müsse die
Restitution nicht nur vom Richter angeordnet, sondern auch
tatsächlich vollzogen sein. Nur beim Papst wird eine Aus-
nahme mit der bezeichnenden Begründung gemacht, daß es
hier an einem höheren Richter mangele, der die Restitution
durchsetzen könne.* 2) Während aber so im Dekret und auch
noch bei Paucapalea3) die exceptio spolii im ganzen Um-
fange der pseudoisidorischen Lehren entgegentritt, erfährt
sie schon bei Rolandus 4) bedeutsame Einschränkungen. Das
zeigt weniger der Satz Rolands:
Ordinario indicio exspoliati ante finem causae restituendi
non sunt . . .,
der nur eine von Gratian nicht ausgesprochene Konsequenz
seiner Lehre enthält, als die einschränkende Interpretation
der pseudoisidorischen Bestimmungen, wonach die exceptio
spolii nur im Verfahren wegen des crimen zulässig sein soll,
um dessentwillen die Spolation erfolgt ist. Dieselbe Inter-
pretation kehrt aber mit geringen Abweichungen bei Rufinus
wieder5 * *). Er erklärt zunächst, daß auch bei spoliatio ordine
iudiciario eine exceptio spolii vorgebracht werden könne,
falls die Spoliation erst nach eingelegter Appellation
verfügt werde. Dagegen soll auch bei spoliatio preter
ordinem iudiciarium die exceptio spolii ausgeschlossen
sein, wenn der Spoliierte
. . . suspectus habeatur vel do crimine proprie persone vel
de dilapidatione ecclesie. Si enim sacerdos infametur de
S. 64 zu c 2 C III q3 (= Ulpianus de edendo bei Haenel, Incerti
auctoris ordo iudiciorum, Lipsiae 1838, p. 21).
*) C II q 2, C III q 1; die Belege sind sämtlich pseudoisidorisch.
Vgl. auch c 2 C III q 2. — 2) dict. Gr. p. c 2, p. c 6 C III q 1. —
3) Paucapalea 8. 58 zu C II q 2, 8. 64 zu C III q 1. — 4) Rolandus
8.16 zu C II q 2, 8. 18 zu C III q 1. — 8) Rufinus 8. 242f. zu C II
q 2 [hier ist der Sinn der Stelle nur zu erkennen, wenn das Komma
vor ante auf der drittletzten Zeile vor das Wort non auf der vor-
letzten Zeile verschoben wird], 8. 261 zu C III q 1.