Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (3 (1913))

Der Prozeß im Decretum Gratiani usw.

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Appellatio sive provocatio est ad maiorem iudicem contra
sententiam facta vocatio et proclamatio,
der Grundstock zu den zusammendrängenden Ausführungen
der Appellation geschaffen, die uns bei Rufinus1) und Ste-
phanus2) begegnen und nach denen sich der Instanzenzug
der geistlichen Gerichte folgendermaßen gestaltet. Auf
der untersten Stufe stehen alle die Richter, die dem Bischof
untergeordnet sind, und als deren wichtigste Gruppe die der
Archidiakonen ausdrücklich genannt wird. Von ihrem Spruch
geht die Appellation an den Bischof. Des Bischofs Urteil
wird angefochten beim Gericht des Metropoliten. Dessen
Entscheidung unterliegt der Berufung an den Primas oder
Patriarchen. Über diesem endlich steht der Papst. Dabei
können einzelne Glieder der Reihe auch übersprungen werden,
nur darf der neue Richter niemals dem vorhergehenden gleich-
gestellt oder gar untergeordnet sein. Handelt es sich um
delegierte geistliche oder weltliche Richter, so ist vom
Spruch des Delegierten an den Deleganten, erst dann an den
dem Deleganten übergeordneten Richter zu appellieren, wenn-
gleich die tatsächliche Übung nach dem Bericht von Stephanus’
wie von Rufinus auch sofortige Berufung vom Delegierten
an den übergeordneten Richter des Deleganten zuläßt. Im
übrigen wird vom Instanzenzug der weltlichen Gerichte
nicht gehandelt. Nur erörtert Stephanus die bereits erwähnte
Streitfrage, ob vom Spruch des weltlichen Richters, insbeson-
dere des Kaisers, an den Papst appelliert werden könne,
und entscheidet sie in bejahendem Sinne.3)
In die Fragen der sachlichen Zuständigkeit und
zugleich der inneren Gerichtsorganisation hinein führen
die zahlreichen ausführlichen Erörterungen über die zu-
ständigen Strafgerichte für Bischöfe, Priester, Diakonen
und Kleriker niederer Weihen. Hier zeigt sich das Dekret
der Fülle der einschlägigen Bestimmungen nicht gewachsen.
Es wird zunächst negativ festgestellt, daß weder der Bischof4)
noch ein Priester5) von einem Richter allein (dem Metro-
politen bez. dem Bischof) abgeurteilt werden dürfe. In

x) Rufinus S. 251 ff. zu C II q 6« — 2) Stephanus S. 173ff. zu
CII q 6. — 3) s. o. 8. 239 Anm. 1. — 4) C III q 8. — 5) C XV q 7.
Zeitschrift für Rechtsgeschichte. XXXIV. Kan. Abt. III. 16

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