Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (3 (1913))

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Erwin Jaeobi,

zeitig begegnet in ihren Anfängen die Lehre, daß der Papst
iudex ordinarius singulorum sei, also jede Sache in jedem
Stadium des Verfahrens vor sich ziehen oder für sie Richter
bestellen könne.1)
Dem entspricht es nur, wenn bezüglich der funktio-
neilen Zuständigkeit unter Berufung namentlich auf pseu-
doisidorische Kanones mit Entschiedenheit betont wird, daß
in allen Sachen an den Papst appelliert werden dürfe2),
während das Urteil der sancta sedes selbst keinem Rechts-
mittel unterliegt.9) Wie freilich der Instanzenzug im übrigen
gestaltet sein soll, wird nicht gesagt, höchstens lassen einzelne
verstreute Kanones erkennen, daß im allgemeinen die
hierarchische Gliederung der kirchlichen Gewalten als maß-
gebend angesehen wird.4)
Hier bringt erst die anschließende Literatur ausführlichere
Erörterungen. Bei Paucapalea5) wird durch die von Bulgarus6)
übernommene Definition der Appellation:

palea 8. 72 zuG’VIq8. Rufinus 8. 267 zu C 111 q 6. Stephanus
8.196 zu C III q 6. Dabei wird von Gratian dict. p. c 8 C III q 6 und
nach ihm von Stephanus 1. c. das forum delicti commissi mit einer
gewissen Zurückhaltung behandelt: Hoc autem, quod de loco dictum
est, tune intelligendum est, cum veritas causae non nisi in loco ad-
missi criminis deprehendi potest.
') dict, Gr. p. c 9 C IX q 8, c 11, 12,16—21 C IX q 8, c 12, 14. 15
0III q 6, dict. Gr. p. c 14 1. c. Siehe auch oben 8. 238 f. und wegen
der Anklagen gegen Bischöfe unten 8. 243 f. Mit Unrecht behauptet
Aemilius Ludwig Richter, Lehrbuch des katholischen und evan-
gelischen Kirchenrechts, bearbeitet von Richard Dove und Wilhelm
Kahl8, Leipzig 1886, 8. 759, der Papst sei im Dekret noch nicht als
Ordinarius iudex singulorum behandelt. — 2) Vgl. insbesondere: c 3—8,
11-13, 15-17, dict. p. c 35 C II q 6, c 16, 17 C IX q 3. — ->) dict. Gr.
p. c 9 C IX q 3, c 10, 13—17 C IX q 3, c 7 dist. XXL Zu letzterer
Dekretale des Papstes Nikolaus I. bemerken aber Rufinus 8. 46
wie Stephanus 8. 32: prima sedes non indicabitur a quoquam, nisi
in fidei articulis pertinaciter erraverit vel scismate corrumpere ecclesiam
perseveraverit unter Berufung auf c 6 dist. XL, c 6 C XXIV q 2. —
*) c 7, 9 C II q 6. Auf keinen Fall darf ein Katholik an einen anders-
gläubigen Richter appellieren: dict. Gr. p. c 31 § 2, c 32 C II q 6. —
Ä) Paucapalea S. 61 zu 0 II q 6. — 6) Vgl. die im Titel nicht fest-
stehende Schrift des Bulgarus über Prozeß bei Agathon Wunderlich,
Anecdota quae processum civilem spectant, Gottingae 1841, p. 13ss., § 11.

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