Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (3 (1913))

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Erwin Jaeobi,

vor dem geistlichen Richter erscheinen muß, nur die von
Rufin „tantum spirituales“ genannten erwähnt, unter denen
die später als causae mere spirituales und causae spiritualibus
annexae geschiedenen1) Tatbestände noch ohne Unterschied
zusammeugefaßt sind2;; als Beispiele werden aufgezählt: de
sacramentis, de matrimoniis, de decimis, de oblationibus, de
excommunicationibus.3) Als kirchliche Strafsachen in dem
Sinne, daß ihre Aburteilung auch einem Laien gegenüber
vor dem geistlichen Richter zu erfolgen hat, erscheinen bei
Rufinus wie Stephanus die Häresie, unter der auch die selte-
neren Fälle der Apostasie und des Schisma zu verstellen
sind4), die Simonie, bei Rufinus ferner Meineid und Ehebruch3),
während Stephanus bei letzterem wie bei Mord dem geist-
lichen Richter nur die Deposition des schuldigen Klerikers
zuweist, im übrigen beide Verbrechen ausdrücklich der Kom-
petenz des weltlichen Richters unterstellt.0)
Zu alledem treten nun noch die von Gratian aufgenomme-
nen Bestimmungen Konstantins des Gr. und deren gefälschte
Bestätigung durch Karl d. Gr.7), wonach bei Prozessen vor
dem weltlichen Richter jede Partei durch einfachen Antrag
die Sache vor das Bischofsgericht ziehen kann. Unter Be-
rufung auf diese Kanon es erklärt schon Rolandus8):
-) Vgl. Friedberg, Lehrbuch § 99 8. 307. — 2) Rolandus
8.80 zu C XXI q 5. Rufinus S. 192 f. zu e 11 dist. 96, 8. 306 f. zu
0 XI q 1, 8. 405 zu C XXIII q 1. — 3) Rul’inus 8. 307 1. c. —
4) Vgl. Hinschius a. a. O. 8.312. — 8) Die spätere Scheidung von
delicta mere ecclesiastica und delicta mixta — vgl. Friedberg,
Lehrbuch § 105 8. 329 f. — wird noch nicht vorgenommen. Man
hat also auch bei Ehebruch und Meineid anzunehmen, daß sie von
Rutinus der ausschließlichen Zuständigkeit des geistlichen Gerichts
zugewiesen werden, was mit den tatsächlichen Verhältnissen im 12. Jahr-
hundert (außerhalb Frankreichs, s. u. Anm. 6) durchaus überein-
stimmt. Vgl. hierzu Hinschius a.a. 0. 8. 314f., 319. — 6) Rufinus
8.197 zu C I, 8. 193 zu c 11 dist. 96, 8. 274 zu c2 C IV q 1. Stepha-
nus 8. 211 zu C XI q 1, 8. 121 zu C I. Die Zuweisung des Ehebruchs
an das weltliche Gericht bei Stephanus erklärt sich aus der eigen-
artigen Entwicklung in Frankreich, wo bereits seit dem 11. Jahrhundert
die weltlichen Gerichte den geistlichen diese und andere delicta mixta
entwunden hatten. Vgl. Hinschius a. a. 0. 8. 314 Anm. 1, 8. 316
mit Anm. 3 und 4. Bedeutsam ist, daß Stephanus diese Usurpation
ohne Widerspruch hinnimmt. — 7) c 35—37 C XI q 1. — 8) Rolandus

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