Volltext: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (3 (1913))

234

Erwin Jacobi,

Gratian behandelt in einer eigenen Quaestio1 * * * V) den von
den pseudoisidorischen Fälschern zum Überdruß wiederholten
Satz, daß die Kleriker von der weltlichen Gerichtsbarkeit
eximiert seien, und gelangt nach Widerlegung der Einwen-
dungen, die er selbst gegen eine richterliche Tätigkeit von
Geistlichen in weltlichen Dingen erhebt2), zu folgendem
Ergebnis:
. . . clericus ad publica iudicia nec in civili, nec in cri-
minali causa est producendus, nisi forte civilem causam
episcopus decidere noluerit, vel in criminali sui honoris
cingulo eum nudaverit.3)
Bis auf zwei Ausnahmen wird also die pseudoisidorische
Forderung anerkannt. Von den Ausnahmen bezieht sich die
eine auf Strafsachen und trägt hier der Tatsache Rechnung,
daß die Deposition den Kleriker auch im 12. Jahrhundert
noch4) seines ordo und damit der geistlichen Standesrechte
beraubt5), die andere beschränkt sich auf Zivilsachen und
wiederholt hier eine Bestimmung der Justinianischen Novellen.")
Äußerst bezeichnend ist nun, wie schon in der unmittel-
bar anschließenden Dekretistenliteratur sich das Drängen der
Praxis nach Einschränkung des priviligierten Gerichtsstandes
der Geistlichen bemerkbar macht. Unverändert wird die

1) C XI q 1. — 2) dict. p. c 26 bis dict. p. c 31 C XI q 1 Gratian
selbst bewertet die Einwürfe, unter denen sich Sätze wie:
Sicut enim ecclesiasticarum legum ecclesiasticus iudex est admini-
strator, ita et civilium non nisi civilis debet esse exeeutor. Sicut
enim ille solus habet ius interpretandi canones, qui habet potestatem
condendi eos, ita ille solus legum civilium debet esse interpres, qui
eis ius et auctoritatem inpertit. (dict. Gr. p. c 30 1. c.)
befinden, folgendermaßen:
... ea, que . . . dicta sunt, verisimilia quidem videntur, sed pondere
carent (dict. p. c 31 1. c.).
— 3) dict. Gr. p. c 47 C XI q 1, vgl. auch dict. p. c 26, p. c 31,
p. c 34 1. c. Die Belege beziehen sich zum Teil auf Zivilsachen (c 15,
16, 36, 37, 1. c.), im übrigen meist auf Zivil- und Strafsachen (c 1—3,
5, 6, 8, 10—14, 31—34, 38—47 1. c.) und sind überwiegend den pseudo-
isidorischen Kanones entnommen. — 4) Hinschius, Kirchenrecht
V 8. 53, 403. — *) Vgl. c 18, 31 C XI q 1, beide pseudoisidorisch, —
•) Nov. 123, 21, 2 = Auth. 134, 21, 2, in der Form der Epitome Juliani
77,1 aufgenommen in c 45 C XI q 1.

Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.

powered by Goobi viewer