Das kanonische Recht in Böhmen und Mähren.
99
Bemerkenswert ist schließlich, daß an der Hochschule
zu Leipzig, welche dem großen Auszüge der Professoren und
Studenten1) aus Prag 1409 ihre Entstehung zu verdanken
hatte, kein in Prag promovierter doctor legum sich findet;
jedoch nennt die dortige Matrikel unter den ersten Rechts-
lehrern zwei doctores decretorum, deren einer, Albert Waren-
trapp, in Prag den Doktorhut erwarb, der andere aber,
Konrad Thus als ehemaliger Schüler der Prager Fakultät
von Erfurt nach Leipzig berufen wurde.2)
Endlich verdient noch hervorgehoben zu werden, daß
sogar an dem fernen studium in curia Romana zu Avignon
ein ehemaliger Angehöriger desselben, Paul von Janovic,
1371 über Dekretalen vortrug (actu decretales legit), obwohl
er bereits in Prag eine Kanonikatspfründe besaß und später
hier die Würde eines Archidiakons erwarb.3)
Angesichts der hervorgehobenen Tatsachen ist nicht zu
verwundern, daß die damals so hochberühmte Universität
zu Prag sich anschickte, das Erbe der altehrwürdigen Hoch-
schule zu Paris anzutreten, als das gegen das Ende des
XIV. Jahrhunderts eingetretene Schisma die Gemüter der
dortigen Magister heftig erregte, weshalb kirchliche Faktoren
beim Könige Wenzel IV. Schritte unternahmen, damit er
beim Papste Urban VI. die Verlegung der Pariser Univer-
sität nach Prag befürworteA)
Als ein gewichtiges Zeugnis für die Tüchtigkeit der an
der Prager Hochschule gebildeten Juristen fällt es auch in
die Wagschale, daß aus ihren Reihen Berufungen zu der
Rota Romana erfolgten.5) Bereits früher wurde des einst
J) Die übertriebenen Mitteilungen über die Zahl der ausge-
wanderten Studenten werden richtig gestellt von Denifle, 1. c. I 600
und A. 1554. — 2) Pelzei, König Wenzel IV. 11 S. 552; Bericht der
Leipziger Gesell, zur Erforschung der vaterl. Sprache 1847 8. 25, 28;
Muther 1. c. 8. 75. — 3) Tadra, Kanzleien S. 221 ex arch. Vat. und
Tomek, Gesch. Prags V 116. — *) Denifle 1. c. 8. 617 A. 1615;
Chartul. univ. Paris. III584; H ö fl e r, Joannes Bus 8.121. — ®) Die Nach-
weise erbringt Tadra, Kanzleien S. 219ff. auf Grund von Urkunden,
wo auch die Belege für die Aufnahme zahlreicher Angehöriger Böhmens
als abbreviatores und registratores in die päpstliche Kanzlei trotz des
Besitzes von Kanonikaten in ihrer Heimat beigebracht werden.
1*