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Ober-Tribunals-Räthe Wilke II., v. Kunow, Rathmann, Rcinike,
Stosch, der Geheime Ober-Revisions-Rath Hermes in Erwägung,
daß die Kautionsfreiheit eines Blattes sich nicht blos nach
dem Prinzip der Ausschließung politischer und socialer Fragen be-
stimmt, sondern nach 8. 17. des PreßgesetzeS vom 12 Mai 1851
(Gs.-S. 277) durch Jnnehaltung des Bereichs der dort speziell be-
nannten Gegenstände unter Ausschließung aller politischen und
socialen Fragen bedingt wird, das Erstere namentlich deshalb nicht
angenommen werden kann, weil es der grammatischen Interpre-
tation zuwider läuft, weil, wenn der Gesetzgeber bloß einen lei-
tenden Grundsatz hätte ausstellcn wollen, es der Auszählung der
einzelnen Gegenstände nicht bedurft hätte, weil die Kautionspflicht
die Regel und die Ausnahme nicht ausdehnend zu erklären ist,
wobei in der zuerst gedachten Beziehung besonders durch die
Satzfügung:
„lediglich — enthalten"
„oder — bestimmt sind"
zwei getrennte Kathegorien unterscheiden werden und demnächst sich
auch nicht verkennen läßt, daß zwischen solchen Blättern, welche
entweder bloße Anzeigen der im §. 17 enthaltenen Art, oder
rein wisseuschaftliche, technische oder gewerbliche Erörterungen ent-
halten, und andererseits solchen Blättern, welche alle diese Ge-
genstände vermischt ausnehmen, eine wesentliche Verschiedenartig-
keit obwaltet und eine gleiche Behandlung derselben in Bezug
auf den Kautionspunkt aus der Natur der Sache nicht folgt;
daß selbst unter Annahme der Zulässigkeit einer Vermischung aller
unter 1 erwähnten Gegenstände in einem und demselben (kautions-
freien) Blatte die inkriminirten Artikel nicht den Charakter wissen-
schaftlicher, technischer oder gewerblicher Erörterungen, sondern
eines Unterhaltungsblatts von ganz unbestimmter Sphäre begrün-
den würden, ein solches aber die Kautionsfreiheit nicht in Anspruch
zu nehmen hat; daß die Bezugnahmen des- Appellationsrichters
auf die Kammcrverhandlungen schon deshalb nicht zutreffen, weil