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fca$ Aufgebet» jenes Grundsatzes. Versuchen wir eine
IVerständigung!
Die Frage, was Wahrheit sey, die schon Pilatus an
Christus gethan, ist noch nie peremton'sch beantwortet, selbst
der einst so genannte Staatsphilosoph Hegel hat sie noch
nicht abgeschlossen. Weil die Gesellschaft aber nicht warten
kann,' bis die wirkliche Wahrheit gefunden, sind ihr, durch
einen sicheren Natur-Instinkt geleitet, Institutionen gege-
ben, wodurch sie ihren Bedarf von Wahrheit schon jetzt
gleich erhält, die förmliche Wahrheit nämlich. ES ist
der Glaube an Authoritätcn, der allem Erhabene» in der
Gesellschaft jum Grunde liegt. Tie Kirche glaubt, was
in ihr traditionell von jeher geglaubt, was als solches
von dm, Conrklicn ausgesprochen worden; und wo sich auS
ihrem Schooße eine neue Kirche, die. bisherige Authorktät
verneinend, gebildet, gibt sich sehr bald ein unabweisbares
Streben nach neuen Authoritätcn kund.') Tem Staate ist
seine Regierungsform die beste, grade weil er sie hat, der
fromme Glaube an die Authorität ist auch hier der Grund-
säulen festeste. Und so ist Recht dasjenige, was die Gesell-
schaft von jeher dafür gehalten, was sich iu ihr als solches
entwickelt. — Alles das ist nun freilich nickt stagnkrend, son-
dem in beständigem Flusse. Don Zeit zu Zeit nimmt die
förmliche Wahrheit neue Elemente der erkannten wirklichen
«n sich auf, die Philosophie, auch eine Art innerer Offen-
barung, wirkt auf die Kirche und auf die RegkerungS«
*) Daher auch der immer in neuen Gestalte» wieder auf-
tauchende Kampf über symbolische Bücher, regal» käei
u. f. w. in der evangelischen Kirche.