Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 57 = 2.F. 21 (1910))

Nachlese zur Unmöglichkeitslehre.

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nur der Rechtsschein der Sachlage geschmeidig in allen Rich-
tungen hin an und stellt das Gemeinsame aller Urteile dar.
Er macht das Streitige unstreitig, das Dunkle offenbar, das
Angreifbare unangreifbar, da die urteilmäßige Feststellung die
Behauptung der siegreichen Partei offenbar und unbestreitbar
macht. Man muß sich nur hüten, das Offenbarsein in der
Unbestreitbarkeit aufgehen zu lassen, dann hat man den Schlüssel
zum Verständnis einer jeden Urteilswirkung in der Hand.
Dabei soll keinen Augenblick bestritten werden, daß Urteile
mit prozeßrechtlichem Gegenstände eine Verfügung des Richters
enthalten können. Aber diese Verfügung ist prozessual und hat
auch nur prozessuale Wirkungen. Derartiges geht uns hier
aber nicht an. So steckt z. B. in jedem kondemnatorischen
Urteil eine Verfügung des erkennenden Richters an die Voll-
streckungsorgane (Gerichtsvollzieher oder Dollstreckungsgericht):
Erfülle alle Wünsche der siegreichen Partei, soweit sie durch
den Inhalt des Urteils gedeckt werden. Dies ist qualitativ
nichts anderes als die in einem Beweisbeschluß enthaltene,
ebenfalls rein prozessuale Verfügung, daß das Nachgeordnete
Iustizorgan bestimmte Handlungen vorzunehmen habe. Die
innerhalb des Iustizpflegekörpers erlassenen Verfügungen, posi-
tiven und negativen Inhaltes, gewissermaßen internen Ver-
fügungen. scheiden hier aus; vergl. die Aufzählung bei Kisch
S. 162 ff. Belanglos ist für uns. ob alle Beispiele für eine
prozessual konstitutive Wirkung des Urteils richtig gewählt sind.
Die Vollftreckungsgegenklage ist gerichtet nicht bloß auf Ver-
nichtung einer prozessualen Verfügung, sondern bezweckt geradezu
Zerstörung eines Rechtsscheins. Es ist nicht uneingeschränkt
richtig, zu sagen, das erste Urteil bleibe in seinem Bestände be-
stehen. Das erste Urteil ist nach erfolgreicher Durchführung
der Vollftreckungsgegenklage ganz gewiß nicht mehr berech-
tigt. Aber darum bleibt es doch wahr, daß es seinerzeit be-

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