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Krückmann,
das Urteil in seinen Wirkungen unterschiedslos dasselbe ist, ob
nun ein außerprozessualer Rechtsschutzanspruch oder ein außer-
prozessualer oder innerprozessualer Rechtsscheinschutzanspruch in
ihm verwirklicht, vergewissert, deklariert, bezw. ein Anspruch
oder ein Anspruchsschein festgestellt worden ist. Dem Inhaber
eines bloßen Recktsscheines kann im Urteil nicht mehr ge-
geben werden, als er hat, denn das Urteil will und soll
doch dem siegreichen Kläger nur das geben, was ihm zusteht,
es soll das Daseiende, Recht oder Rechtsschein, feststellen, ver-
gewissern, verwirklichen, deklarieren re. Es läßt sich aber von
keinem im Urteil anerkannten Anspruch mit Sicherheit sagen,
er sei nur Rechtsschein, vielmehr wird inter partes im Prozeß
gerade das Gegenteil unterstellt und muß unterstellt werden,
da alles rechtskräftige Urteil auf dem Gedanken beruht, daß
das zuerkannte Recht wirklich Recht, das aberkannte wirklich
Nichtrecht sei. Es läßt sich nur außerprozessual als unrichtig
bezeichnen, prozessual ist es richtig, d. h. wahr. Alle Vor-
schriften der ZPO. laufen doch darauf hinaus, daß irgendeine
Wahrheit als Grundlage der Entscheidung gewonnen werden
soll, siehe oben die Formel Hölders. Nach Möglichkeit die
zutreffende geschichtliche Wahrheit, „wie es wirklich gewesen ist",
und sonst immer etwas, was die Parteien als Wahrheit gelten
lassen müssen. Die Bestimmungen über Versäumnis- und An-
erkenntnisurteil lehren es ja deutlich genug, daß gewisse Tat-
sachen als wahr behandelt werden sollen und nicht etwa als
neutral oder gar als unwahr. Der immer wieder in aller
Prozeßliteratur wiederholte Ausdruck, das Urteil „stelle fest",
beruht auf demselben Gedanken, daß das Urteil mit dem An-
spruch auf inhaltliche Wahrheit auftritt. Das Wort feststellen
wäre sinnlos, wenn nicht eben etwas festgestellt würde, das ohne
Wahrheitsanspruch gar nicht denkbar ist. Da nun dieser Wahr-
heitsanspruch unbedingt gilt, ob nun der Kläger bis zum Urteil