Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 57 = 2.F. 21 (1910))

Nachlese zur Unmöglichkeitslehre.

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So wären wir auf der schiefen Ebene glücklich bis zum
Streit über die Urteilskraft hingeglitten. Da der Urteilsrechts-
schein aber nur die folgerichtige Durchbildung der Rechtsschein-
theorie, insbesondere der Theorie des innerprozessualen Rechts-
scheins ist, ihre Krönung, sei ein Ausblick auf diese Frage ver-
stattet.
Rechtsschein ist alles, auch im rechtskräftigen Urteil. Nicht
Rechtskraft, sondern Rechtsscheinkraft oder vielmehr Rechts-
scheinrechtskraft gibt das Urteil, die Kraft eines unwiderleglichen
Rechtsscheins. Der siegreiche Kläger hat den unwiderleglichen,
unbestreitbaren (Hellwig, Stein) Rechtsschein (Pagen-
stech er. Holder) für sich, daß ihm das geltendgemachte
materielle Recht zustehe. Durch die eingefügten Namen der
ftreitendenden Autoren, vergl. hierzu die Zusammenstellung bei
Pagenstecher, a. a. O. S. 21. ist angedeutet, welches
Begriffsmoment diese Formel mit den beiden gegensätzlichen
Theorien gemeinsam hat. Es ist jedoch zu bemerken, daß Urteils-
rechtsschein sich nicht mit außerprozessualem und auch nicht mit
prozessualem Rechtsschein deckt, sondern wieder ein Drittes dar-
stellt. Der außerprozessuale Rechtsschein ist materiellrechtlich
und gilt nicht bloß für diesen Prozeß, der prozessuale ist prozeß-
rechtlich und gilt nur für diesen Prozeß, der urteilsmäßige
Rechtsschein ist die innige Verschmelzung und Bereinigung
beider, ist prozessual und materiell. Prozessual nach dem
Grunde seiner Herkunft, seinen Entstehungsformen und Ent-
stehungsbedingungen, materiell nach seinen Wirkungen, da er
der siegreichen Partei eine ausreichend begründete Vermutung
für ihr Recht in jedem künftigen Rechtsstreit zwischen ihnen
gibt. Hierin, daß die siegreiche Partei sich in jedem künftigen
Prozeß auf den Inhalt des Urteils berufen kann, liegt die
materielle, sozusagen absolute. Wirkung.
Diese Wirkung wird in zweierlei Weise gesteigert. Ein-

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