Full text: Neues Archiv für preussisches Recht und Verfahren, sowie für deutsches Privatrecht (Jg. 15 (1852))

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geschaffen in dem Präsidenten. Dieser hat als Richter eine
falsche Stellung und ein Uebergewicht über alle andere
Factoren erhalten.
Ein anderer Grund ist dieser, daß nur derjenige
Angeklagte mit schwerer Strafe belegt werden dürfe, von
dessen Schuld nicht allein der subtil unterscheidende Rechts-
gelehrte, sondern auch der schlichte Bürger sich überzeugen
könne. Man schreibt diesen Grund der englischen Einrich-
tung zu, weil dort der Präsident die Aufgabe habe, die
Geschwornen von seiner richterlichen Ansicht zu überzeu-
gen. Dieser Grund geht etwas weit: es dürften danach
auch in kleinen Sachen nur Geschworene urteilen.
Aehniich ist ein dritter Grund. Bei dem frühern
schriftlichen Verfahren habe der Richter »ach objektiven
Beweisregeln urteilen müssen; bei dem mündlichen Ver-
fahren müsse die subjektive Ileberzeugung von der schuld
genügen, ohne daß dafür bestimmte Gründe angegeben zu
werden brauchten. Es sei gefährlich, den Spruch aus
dieser bloßen Ucberzeugung Andern, als einer größern
Zahl durchaus freistehender Männer zu überlassen. — Der
Vordersatz enthält viel Wahres; der Schluß ist aber nicht
ganz richtig. Das mündliche Verfahren mit dem bloßen
Ueberzeugungsspruch hat bei seiner Vortrefflichkcit auch
eine schwache Stelle. Bei dem frühern Verfahren mußte
die Voruntersuchung bis auf alle Details vollständig sein;
dann hatte der Richter aufzuzählcn, welche directen und
welche indirecten Beweismittel Vorlagen; er prüfte deren
Gewicht im Einzelnen sorgfältig; — außerdem war sein
Spruch, weil er vie betheiligte Person gar nicht sah,
möglichst objektiv. Bei dem mündlichen Verfahren wird
leider oft die Voruntersuchung nicht so vollständig geführt:
man erwartet Alles von der mündlichen Verhandlung. ES
ist wahr, daß das lebendige Bild der inündlichen Verhand-
lung die Seele einer richtigen Erkenntniß abgiebt; aber

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