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der Schwache fand nirgend Recht. Es war deshalb ein
großer Fortschritt, als der Staat später den Richter oi
oiliciu einschreiten ließ. — Die Volksrichter (Schöffen)
urtheilten nach Gutdünken oder nach den ihnen bekannten
Gewohnheitsrechten. Als die Gewohnheitsrechte ausge-
zeichnet und das römische Recht eingeführt wurde, fielen
sie von selbst weg, da sie dieselben nicht kannten. Wenn
geschriebene Eriminal-Gesetze eine Rothwendigkeit sind, so
war auch dies ein Fortschritt. — Das mündliche Verfahren
bestand dem besten Theile nach in einer sehr geregelten
Beweisaufnahme; dem größeren schlechten Theile nach in
den unvernünftigsten Beweistheorien: den Verm u thu n g s-
Zeugen für und wider und den Gottesurteilen. Daö schrift-
liche Verfahren brachte zuerst eine ernste, geordnete, ver-
nünftige Beweisaufnahme. — In Wahrheit war das In-
stitut ein schlechter Rothbehelf. Zn einer höher» Auffassung
des Staates war man noch nicht gekommen, und die Ge-
rechtigkeitspflege lag im Argen. (5s war damals ein Ge-
winn für den Staat, für Bildung und Sitte, daß das
schriftliche Verfahren vor Richtern eingeführt wurde. Die
Einführung unseres jetzigen mündlichen Verfahrens ist des-
halb nur ein weiterer Fortschritt, keineswegs aber die Herstel-
lung alter Institutionen. Die Schwurgerichte aber haben
nur eine rationelle, nicht eine historische Grundlage. Das
Institut der Schwurgerichte ist in Frankreich nach philoso-
phischen und politischen Gründen geschaffen und als solches
von uns herübergenommen. Das Gute daran isr nur der
Anklage-Prozeß und das mündliche Verfahren. Das münd-
liche Verfahren ist uns daher in Deutschland auch schon
zur Nothwendigkeit geworden, an den Schwurgerichten
halten nur unsre Rachbaren am Rheine fest: ans besonder»
Gründen. Lielteicht werden wir dieselben auch nicht eher
los, bis sie die Franzosen abändern; dann folgen wir
auch. —