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Hugo Preuß,
pflichten. Die Zustimmung oder Genehmigung von Bundesrath
und Reichstag hat mit der Ratihabition seitens eines Ver-
tretenen nicht das Geringste zu thun; wo dieselbe verfassungs-
mäßig nothwendig ist, da manifestirt sich der Reichswille von
Rechts wegen nur durch einen Gesammtakt aller drei Repräsen-
tativorgane. Kurz, in keinem Falle lassen sich Rechte und
Pflichten der Organpersonen verselbständigen und von denen
der Gesammtperson loslösen, während dies gerade das Cha-
rakteristikum der individualrechtlichen Stellvertretungsverhält-
nisse ist.
Nun lege man vollends diesen Maßstab an die Organ-
verhältnisse des inneren Staatsrechts! Das Parlamentsmitglied
ist Vertreter des ganzen Volkes nach dem Wortlaut der Ver-
fassungen, oder seiner Wähler nach der vulgären Auffassung.
Hat der Abgeordnete diesen „Vertretenen" gegenüber irgend
eine Rechtspflicht oder irgend einen Rechtsanspruch? Recht
und Pflicht zugleich ist für ihn seine verfassungsmäßige Mit-
wirkung an den Staatsfunktionen, seine Kompetenz als Aus-
fluß seines Statusrechts als Organperson. Zwischen ihm und
dem ganzen Volke als unorganisirter Vielheit bestehen über-
haupt keine Rechtsbeziehungen; zwischen ihm und seiner
Wählerschaft lediglich die der verfassungsmäßigen Organ-
bestellung. Wann „haftet" er selbst für seine Vertreter-
handlungen. wann die Vertretenen?!
Genau das gleiche Resultat ergiebt sich für alle organi-
satorischen Vertretungsverhältnisse, gleichviel ob es sich um
Repräsentativorgane oder um Aemter handelt. Daran ändert
auch sogar die scheinbare Anknüpfung der Vertretung an eine
Individualperson nichts. Der Richter, der im Namen des
Königs Recht spricht, fungirt nicht weniger als unmittelbares
Staatsorgan als der. der im Namen des Reichs richtet, oder