Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 44 = 2.F. 8 (1902))

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Hugo Preuß,

übergeordneter Gemeinwillen; er manifeftirt sich rechtlich nur
in Organen; er ist auf Jndividualpersonen als solche, dem
Organismus selbständig gegenüberstehende Einzelpersonen nicht
übertragbar. Wenn es sich also um Manifestationen dieses
herrschenden Gemeinwillens, um spezifisch obrigkeitliche Funk-
tionen handelt, so können sie nur von der Gesammtperson
selbst, d. h. von Organpersonen, nicht von Stellvertretern wahr-
genommen werden. Dieses organisatorische Rechtsprinzip wird
von der positiven Rechtsordnung in verschiedenem Grade an-
erkannt und geschützt. In Sonderheit kann sich der Staat
kraft der formalen Omnipotenz seiner Gesetzgebung durch
positive Bestimmung davon mehr oder minder dispensiren,
während er es gegenüber den ihm eingegliederten und unter-
geordneten Gemeinwesen durch positive Rechtsgarantien mit
besonders starkem Schutz umgiebt; das kommunale Amtsrecht
enthält dafür die zahl- und lehrreichsten Belege5 °).
Abgesehen also von den spezifisch obrigkeitlichen Funktionen
eines herrschenden Gemeinwillens, ist die Frage, ob Stell-
vertretung oder Organschaft vorliegt, nicht nach dem Inhalt
der betreffenden Thätigkeit zu beantworten, sondern lediglich
nach der Natur des Rechtsaktes, durch den zwischen der Ge-
sammt- und der Einzelperson ein Rechtsverhältniß begründet
ist; ob durch irgend ein Rechtsgeschäft des Individualrechts
oder durch den spezifisch sozialrechtlichen Akt der Organbestellung,
sei es unmittelbar durch die Berfaffung, das organisatorische
Statut der Gesammtperson, sei es mittelbar durch Ver-
waltungsakt auf Grund des Statuts. Dies ist selbstverständ-
lich nur bei Gesammtpersonen, jenes bei Gesammt- wie bei
Einzelpersonen möglich; die Gesammtperson muß Organ-
personen und kann Stellvertreter, die Individualperson kann
nur Stellvertreter haben.

50) Vergl. mein Städtisches Amtsrecht, S. 372 fg.

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