Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 44 = 2.F. 8 (1902))

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Hugo Preuß,

stellt^). Zwischen beiden Fällen bestehe keinerlei rechtlicher
Unterschied, und daher sei es unhaltbar, den Rechtsanwalt als
Stellvertreter, den Beamten dagegen als Organperson anzu-
sehen. Indessen nicht auf das, was in diesen beiden Fällen
gleich sein mag, nämlich nicht auf den Inhalt der Thätigkeit
des Vertreters oder der Organperson, kommt es an, vielmehr
allein auf ihr Rechtsverhältniß zur Stadtgemeinde; und dies
ist ein wesentlich verschiedenes, und zwar verschieden gerade
nach den beiden hier Ausschlag gebenden Kriterien der Koordi-
nation und der Subordination. Der Anwalt als Beauftragter
und die Stadt als Auftraggeberin stehen sich als koordinirte
Willens- und Rechlssubjekte gegenüber. Der Anwalt hat die
Pflicht zur Prozeßvertretung und das Recht auf Gebühren und
sonstige Schadloshaltung; die Stadt hat die Pflicht zu deren
Leistung und das Recht auf die Anwaltsdienste. Aber weder
hat der Anwalt ein Recht darauf, daß er und kein Anderer
die Stadt im Prozeffe vertrete, noch die Stadt eine ent-
sprechende Rechtspflicht. Etwaige Pflichtverletzungen haben
auf beiden Seiten zunächst lediglich vermögensrechtliche Folgen;
und wenn der Anwalt etwa außer dem Regreß noch einem
Ouasi-Disciplinarverfahren unterliegt, so ist dies keine Rechts-
folge seines Auftragsverhältniffes zur Stadt, sondern seines
Ouasi-Amtsverhältnisses zum Staat. Dagegen ist der Beamte
als eine der Gesammtperson eingegliederte Organperson dieser
subordinirt; sein Organwillen steht dem Gemeinwillen nicht
selbständig gegenüber, sondern ist ein integrirender Bestandtheil
desselben. Daher ist die Prozeßvertretung der Stadt nicht nur
seine Pflicht, sondern zugleich sein Statusrecht als Organperson,
d. h. seine Kompetenz. Diese Organkompetenz wurzelt in dem
Rechte der Gesammtperson, und der Beamte vertritt daher

4S) Organ und Stellvertreter, S. 312.

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