Volltext: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 44 = 2.F. 8 (1902))

Stellvertretung oder Organschaft -

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Ungleichheit der Individuen als solcher, also die Subordination
eines Individuums unter ein anderes, nicht lediglich unter die
höhere Gesammtperson kannte, wie etwa bei den Resten des
Gesindezwanges, haben wir es bei solchen Erscheinungen oder
Forderungen in der That mit einer Ueberführung des Indivi-
dualrechts in das Sozialrecht zu thun. So tritt z. B. für die
Rechtsverhältnisse einer Schiffsmannschaft auf See die indivi-
dualistische Koordination des Obligationsverhältniffes stark
zurück vor der sozialrechtlichen Subordination des Gewalt-
verhältnisses; das entspricht der Natur der Sache, die dem
schwimmenden Schiffe mit seiner Besatzung erheblichste Züge
eines Gemeinwesens verleiht. Und wenn sich heutzutage die
Gesetzgebungspolitik lebhaft mit dem Problem der Strafbarkeit
des Kontraktbruchs industrieller Arbeiter beschäftigt, so handelt
es sich dabei in der That um nichts Geringeres als um den
Uebergang aus dem Gebiete der privatrechtlichen Vertrags- in
das Gebiet sozialrechtlicher Gewaltverhältnisse, vom Arbeits-
vertrag zur Zwangsorganisation. Daher ist denn auch bei den
Kämpfen um diese Frage, wenn nicht überall das klare Be-
wußtsein, so doch ein lebhaftes Gefühl dafür vorhanden, daß
man nicht um eine Frage wirthschaftlicher Zweckmäßigkeit,
sondern um ein fundamentales Rechtsprinzip streitet.
Der gleiche Gedankengang widerlegt die Meinung Schloß-
mann's, welche die Konventionalstrafe mit der Disciplinar-
gewalt zusammenwirft 48).
Die rechtliche Identität von Organschast und Stellver-
tretung glaubt Schloßmann dadurch recht deutlich vor Augen
führen zu können, daß er als Beispiel die Vertretung einer
Stadt im Prozesse, einerseits durch einen Rechtsanwalt, anderer-
seits durch einen ihrer angestellten Beamten, neben einander
48) Organ und Stellvertreter, S. 3N. Vergl. Näheres in meinem
Städtischen Amtsrecht, S. 89 fg., 322 fg.

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