Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 44 = 2.F. 8 (1902))

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Wilhelm Kisch,

(§§ 280 Abs. 2 , 325 Abs. 1 Satz 2. 326 Abs. 1 Satz 3
B.G.B.). Dagegen soll er von dem Vertragsbrüchigen Schuldner
die eigene, im voraus bewirkte Gegenleistung nur nach den
Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangen
können. Der Vertragstreue Kontrahent soll demnach strenger
als der pflichtvergessene hasten. Em undenkbares Ergebniß!
Wenn man sich dabei mit der Behauptung zu be-
ruhigen sucht, die Wirkungen der Rückgabe seien in den
Fällen des Rücktritts und der Kondiktion keineswegs so er-
heblich verschieden, so widerlegt sich dies durch einen bloßen
vergleichenden Hinweis auf § 347 B.G.B. einerseits, § 818
B.G.B. andererseits. Und wenn auf § 327 Satz 2 Bezug
genommen wird, welcher ebenfalls eine ungleiche Behandlung
von Gläubiger und Schuldner vorschreibe, so übersieht man,
daß nach der ausdrücklichen Voraussetzung jener Vorschrift der
Rücktritt wegen eines Umstandes erfolgt, den „der andere Theil
nicht zu vertreten hat". In unserem Falle dagegen ist
der Schuldner für die Unmöglichkeit verantwortlich, so daß
seine mildere Haftung ungerechtfertigt erscheint.
Wie soll nun dieses unbillige und unzweckmäßige Er-
gebniß vermieden werden? Nach Schüller") dadurch, daß
man dem Gläubiger das Recht ertheilt, unter Bewirkung des
vollständigen Entgeltes, Entschädigung für die ganze unmöglich
gewordene oder verzögerte Leistung des Schuldners zu ver-
langen. Es soll also der Vertragstreue Theil, entgegen der
herrschenden Ansicht, zwar nicht die ausnahmslose Pflicht,
wohl aber nach Belieben die Befugniß haben, wenn er Ent-
schädigung wählt, zwischen dieser und seiner Gegenleistung einen
Austausch herbeizuführen. Damit würden freilich — so wird
ausgeführt — nicht die Rechte der Partei aus einem gegen-

49) Schöller I S. «38; II S. »26.

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