Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 44 = 2.F. 8 (1902))

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Wilhelm Kisch,

der Perkäufer Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen,
und brauche dann gegen die Zahlung der Dividende die Waare
nicht zu liefern, „auch nicht theilweise, soweit er Dividende er-
halte, auch nicht, wenn die Konkursmasse 100 Proz. Dividende
bringe" (Staub, 6. Aufl. S. 1278 Anm. 21). Allein es
handelt sich hier offensichtlich um eine Besonderheit des Kon-
kurses. Nach den für den letzteren geltenden Grundsätzen müßte
nämlich der zum Schadensersatz berechtigte Vertragsgegner, falls
er überhaupt zu erfüllen hätte, seine ganze Gegenleistung ein-
wersen, und sich seinerseits mit bloßen Prozenten nach Maß-
gabe der verfügbaren Masse begnügen. Um diese Unbilligkeit
zu vermeiden, wird ihm die Entschädigung ohne Bewirkung
des eigenen Entgeltes zugebilligt. Daraus darf aber keines-
wegs das Prinzip abgeleitet werden, daß auch außerhalb
des Konkurses Vertragsaufhebung und Entschädigung
gleichzeitig stattzufinden haben.
3) Aus den bisherigen Ausführungen ergiebt sich, daß nach
dem Standpunkte des B.G.B. Rücktritt und Schadens-
ersatz mit einander unvereinbar sind. Gegen
diesen zweifellosen Grundsatz verstößt nun die
gegnerische Auffassung, indem sie einem Gläubiger,
welcher Entschädigung verlangt, die Zurückbehaltung seines
eigenen Entgeltes gestattet. Denn diese Zurückbehaltung ist
im praktischen Ergebniß nichts anderes, als eine Loslösung
des Gläubigers vom Vertrage. Derselbe entledigt sich durch
sie ohne weiteres seiner eigenen Verpflichtung, verlangt aber
gleichzeitig eine Leistung des Gegners. Er muthet demselben
das Festhalten an dem Kontrakte, und auf Grund desselben
die Zahlung des Schadensersatzes zu. während er seinerseits
jede Verbindlichkeit aus dem gleichen Rechtsverhältniß ablehnt.
Es tritt mithin eine völlig ungleiche — und deshalb mit dem
Wesen des gegenseitigen Vertrages im schroffsten Widerspruch
stehende — Behandlung der beiden Parteien ein.

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