Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 44 = 2.F. 8 (1902))

Schadensersatz wegen Nichterfüllung bei gegenseit. Verträgen. 113
gründung der gegnerischen Ansicht zu verwenden42), da sie ja
in der That, wie diese, neben der Vertragsauflösung einen
Entschädigungsanspruch gewährt. Eine solche Heranziehung
wäre indessen ungerechtfertigt. Der § 628 Abs. 2 B.G.B.
setzt nämlich in unzweideutiger Weise die Beendigung des
Dienstverhältniffes voraus. Er geht davon aus, daß durch die
Kündigung jede kontraktliche Beziehung zwischen den Parteien
aufgehoben ist. Infolgedessen wäre an sich jeder aus dem Ver-
trage fließende Anspruch zu verneinen. Gerade daraus aber,
daß die Entschädigung, welche dem einen Theil aus praktischen
Gründen dennoch zuerkannt wird, im Gesetz ausdrücklich er-
wähnt werden mußte, ergiebt sich zur Genüge, daß Vertrags-
beendigung und Schadensersatz grundsätzlich mit einander
nicht zu vereinbaren sind.
Es handelt sich somit bei dem § 628 Abs. 2 B.G.B. um
eine durch Billigkeitsrücksichten veranlaßte singuläre Vorschrift,
deren Gedanke keineswegs verallgemeinert werden darf. Höch-
stens ließe sich derselbe auf solche Verhältniffe ausdehnen,
welche fortgesetzte Leistungen zum Gegenstände haben, und
durch den sinnlich wahrnehmbaren Kündigungsakt eine un-
zweidemige Beendigung erfahren, wie Miethe, Gesellschaft u. s. w.
Dagegen trifft die Analogie für die bei weitem zahlreicheren
Verträge nicht zu, bei denen eine einmalige Leistung ge-
schuldet ist.
Es wird denn auch fast allgemein anerkannt, daß der
§ 628 Abs. 2 B.G.B. einerseits und die §§ 325, 326 andererseits
auf völlig verschiedenen Grundgedanken beruhen.
Insbesondere heben die Motive (Bd. 2 S. 211 Anm. 1 und
S. 470) wiederholt hervor, daß in beiden Fällen eine gegen-
sätzliche Behandlung Platz greife, daß aber ein Widerspruch

42) So denn auch Schöller il S. 518.
XLIV. 2. F. VIII.

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