Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 55 = 2.F. 19 (1909))

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E. Brodmann,

allgemeinsten Grundzüge der Bewegungen an. Mit jeder
Staffel im Kommando werden die weitergegebenen Befehle
bestimmter. Was aber schließlich tatsächlich ausgesührt wird,
sei es in dieser, sei es in jener Gestalt, geschieht, sofern es
nur nicht aus dem Rahmen des Gebotenen heraussällt, in Be-
folgung jenes obersten Befehls, und weil es das Oberkommando
befohlen hat.
So sehen wir vor uns ein Gebiet, in welchem es bei der
Rechtsanwendung zwar nicht gilt. Recht zu schaffen, sondern
nur das geltende Recht zu finden, in welchem aber das gesetzte
Recht den Suchenden im Stiche läßt oder — wenn man so
lieber will — ihn nicht mehr bevormundet. Es ist das die
Strecke von dem Punkt an, wo die Determinationen des Ge-
setzes ein Ende nehmen. Daß in diesem Gebiet „freie Rechts-
findung" herrscht, wird in der Theorie nicht bestritten, so un-
behaglich auch manchem Praktiker es ankommt, hier der Stützen
des Gesetzes zu entbehren und sich aus seine eigenen gesunden,
aber des freien Wandelnd so entwöhnten Glieder zu verlassen.
Das Problem der freien Rechtsfindung ist, ob wir der Recht-
sprechung noch darüber hinaus Freiheit gegenüber dem gesetzten
Recht vindizieren dürfen.
Wir gelangten zu den vorstehenden Ueberlegungen, indem
wir den Blick in die Zukunft richteten und uns klar zu machen
suchten, wie das objektive Recht funktioniert. Wenden wir
nun den Blick zurück und betrachten wir das Leben, wie es
unter der Geltung des Rechts geworden ist. In ununter-
brochenem Zeitablauf hat es sich entwickelt und — gezwungen
von den Imperativen des Rechts oder ungezwungen oder un-
bekümmert darum — gestaltet. Was wir erblicken, ist eine
unermeßliche und unübersehbare Menge der Geschehnisse, ein
Chaos an sich und doch, wo wir es des näheren unserer Be-
trachtung unterwerfen, ein geordneter Zusammenhang der ver-

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