Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 55 = 2.F. 19 (1909))

Verschuldensaufrechnung, Gefährdungsaufrechnung rc.

17

III.
Der Ausweg, zu dem die Anwälte gedrängt wurden, war
natürlich die Berufung auf höhere Gewalt, und gerade diese
Fälle haben die Rechtsprechung des RG. über die höhere Ge-
walt in Verwirrung gebracht, vergl. RGZ. 21, 143, wo eine
gute Uebersicht über die Rechtsprechung gegeben ist. Man kann
den in langer Rechtsprechung erarbeiteten Satz des NG., daß
höhere Gewalt dann vorliege, wenn ein Ereignis sich bei
äußerster, mit den Mitteln wirtschaftlicher Rentabilität des
Unternehmens erreichbarer Vorsicht nicht vermeiden läßt, durch-
aus beifallswürdig finden — und ich halte die Formel, die
auf die Relativität der Abwehrmittel Rücksicht nimmt, für
richtig — aber die Anwendung dieses Satzes ist durchaus nicht
einwandfrei und nur deshalb zwar nicht zu rechtfertigen, aber
wenigstens erklärlich, weil hier die Flagge eine ganz andere
Ware decken muß. Diese andere Ware ist die Deliktsunfähig-
keit des Beschädigten.
Man prüfe einmal die bei E g e r, Haftpflichtgesetz 6 ©. 140 f.,
141, 142, 144 f., 145 behandelten Entscheidungen.
Die Entscheidung RGZ. 21, 13 ff. sieht es als höhere
Gewalt an, daß die Mutter im Gespräche mit anderen ihr
dreijähriges Kind außer acht läßt und dieses unter das Hinter-
rad des langsam im Schritt vorbeifahrenden Pferdebahnwagens
gerät.
Hierzu die erhebliche Abwandlung, von der z. B. RGZ.
44, 27; 54, 404 ff. Zeugnis geben, daß nämlich nicht unter
höhere Gewalt diejenigen Ereignisse fallen, die sich mit einer
gewissen Häufigkeit bei einem Betriebe zu wiederholen pflegen
und z. B. auf die „eigentümlichen mit dem Betriebe der elek-
trischen Straßenbahn in den Straßen einer verkehrsreichen
Stadt notwendig verbundenen Gefahren zurückzuführen" sind
(RGZ. 54, 406). Solche Gefahren seien von dem Betriebs-
LV. 2. F. XIX. 2

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