Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 55 = 2.F. 19 (1909))

Verschuldensaufrechnung, Gefährdungsaufrechnung rc.

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wiegend durch die gesetzlich die Haftpflicht begründende Tat-
sache — „den Zufall" — oder durch das Verschulden des
Beschädigten verursacht worden ist." Bei der Berücksichtigung
aller in Betracht kommenden Umstände könne zwar eine Ver-
gleichung von beiderseitigem Verschulden nicht stattfinden, wohl
aber das Maß des Verschuldens des Verletzten von Bedeutung
sein. Dann tadelt das RG. die Annahme des Berufungsgerichtes,
„daß überhaupt jedes kausale Verschulden des Verletzten den
Beklagten — und zwar von jeglicher Haftung für Schadens-
ersatz — entlaste. Eine Feststellung dahin, daß der Unfall
ausschließlich durch die Unvorsichtigkeit des Getöteten verursacht
worden sei, ist dem Urteil nicht zu entnehmen, welches sich
über das Maß der Verschuldung nicht ausgesprochen hat."
Bedenklich erscheint mir zunächst, daß das RG. zwar die
Gegenstellung: unverschuldetes Verursachen durch den Tierhalter
und verschuldetes Verursachen durch den Beschädigten als vor-
handen anerkennt, aber die hieraus gezogenen Folgerungen des
OLG. verwirft. Meines Erachtens hatte das OLG. Breslau
richtig gehandelt, als es bei dieser Sachlage jeden Anspruch
ausschloß. Man hätte dem Beklagten schon Verschulden Nach-
weisen und § 823 heranholen müssen, um zu dem Entscheid
zu gelangen, daß grundsätzlich eine, wenn auch beschränkte,
Haftung angezeigt sei. Die bloße Gefährdungshaftung des
§ 833 als solche war meines Erachtens durch den Tatbestand
völlig ausgeschlossen. Wurde zugegeben, daß der Tatbestand
für eine Verschuldensaufrechnung angetan war, so mußte die Ge-
fährdungsaufrechnung als volle Selbstgefährdung um so mehr
durchgreifend. Nicht der Tierhalter hatte den Getöteten ge-

il Psychologisch verständlich wird das Verfahren des RG., wenn man
seine Rechtsprechung zum Haftpflichtgesetz berücksichtigt. Ursprünglich hat
sich bekanntlich die Praxis gesträubt, auf das Haftpflichtgesetz auch § 254
BGB. anzuwenden, bis dies schließlich doch geschehen ist. Vergl. RGZ.

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