496
Dr. Danz,
des § 556 B.G.B. zu treffen wäre, so wird der Richter in
Zukunft, wenn der Miether oder Einer der Seinigen am Tode
liegt, nicht auf Räumung zur bestimmten Zeit verurtheilen
dürfen i).
6) Die Sätze, welche die Verkehrssitte ergiebt, sind auch
Rechtssätze, und zwar Gewohnheitsrechtssätze; denn
sie entstehen aus den Gewohnheiten des Volkes und das
B. G.B. erhebt sie dadurch zu Rechtssätzen, daß es 'den Richter
anweist, sie seinen Entscheidungen zu Grunde zu legen. Sie
haben auch die Kraft von Rechtssätzen, da sie entgegenstehende
Bestimmungen des B.G.B. außer Kraft setzen. Bergt. S. 463.
Weil sie Rechtssätze sind, verlangen sie zu ihrer An-
wendung keine Kenntniß der Parteien, um sie an-
wenden zu können, keine Berufung der Parteien auf sie; der
Richter hat sie vielmehr von Amtswegen anzuwenden, wie
andere Sätze des B.G.B.
7) Für den Beweis der Verkehrssitte im Prozeß hat
man, da es sich um Gewohnheitsrecht handelt, § 265
C. P.O. in Anwendung zu bringen, wonach Gewohnheitsrechte
des Beweises nur insofern bedürfen, als sie dem Gericht un-
bekannt sind. Der Richter hat aber, da er diese Sätze von
Amts wegen zur Anwendung zu bringen hat, von Amts-
wegen unter Ausübung seines Fragrechts (§ 130 E.P.O.)
sich von ihm nicht bekannten Verkehrssitten Kenntniß zu ver-
schaffen — S. 438 —.
8) Weil die aus der Verkehrssitte gewonnenen Sätze
i) Ebenso Hachenburg, Das B.G.B. für das Deutsche Reich,
Vorträge (1898), S. 6. Stammler, Das Recht der Schuldverhältnisse, S. 44,
der mit Recht darauf aufmerksam macht, daß bei solcher Art des Urtheilens
die Interessen eines jeden der beiden Betheiligten zu beachten sind, und
daß nichts verkehrter wäre, als sich von einer in sich nicht begründeten
einseitigen Vorliebe für den Leistungspflichtigen leiten zu lassen.