Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 38 = 2.F. 2 (1898))

Laienverstand und Rechtsprechung.

495

Rechtsprechung gemäß §§ 157, 242 B.G.B. die richterlichen
Entscheidungen, wenn sie richtig sind, mit dem jedesmaligen
RechtsgefühlihrerZeit übereinftimmen (vergl. S. 450 ff.).
Da die Sätze der Verkehrssitte den ergänzenden
staatlichen Gesetzen Vorgehen, so werden auch diese
letzteren, insofern sie nicht mehr mit der Verkehrssitte ihrer
Zeit übereinstimmen, absterben, ihre Gültigkeit verlieren zu
Gunsten der, der Neuzeit entsprechenden Sätze der Verkehrssitte.
Auch das Prinzip von Treu und Glauben (vergl.
S. 427 ff.) wird gewahrt werden, wenn die Leistungen im
Einzelsalle gemäß §§ 157, 242 nach dem festgestellt werden,
was anständige Männer dieser Zeit freiwillig leisten würden.
Der Richter hat sich dabei ebenso wie bei der Frage, ob ein
Vertrag ein sittlicher oder unsittlicher sei, nicht am Ende leiten zu
lassen von der Anschauung der Römer (vergl. S. 452 Note 3) oder
überhaupt von der Anschauung der Vergangenheit, sondern von
den Anschauungen seiner Zeit. Da die Vorschrift, die auf
Treu und Glauben verweist, zweifellos wie diejenige bezüglich
der Unverbindlichkeit unsittlicher Verträge, zwingender Natur
ist, da sie die gleiche Tendenz verfolgt1), so schlägt sie durch sowohl
gegenüber den Bestimmungen der Parteien, als auch gegen
die Anwendung der Vorschri fte n des B.G.B., falls deren
Anwendung im einzelnen konkreten Falle diesem Prinzip wider-
sprechen würde. Denn diese Vorschriften sind gegeben und
können nur gegeben sein für die Durchschnittsfälle, und können
daher ebenso wie Vereinbarungen der Parteien im einzelnen
Falle dem Prinzip von Treu und Glauben widersprechen: wenn
die Parteien im Miethvertrag vereinbart haben, daß der Miether
die gemiethere Sache nach Beendigung des Miethverhältnisses
zurückgeben soll, oder wenn solche Entscheidung auf Grund

1) Ebenso Stammler, Das Recht der Schuldverhältnisse, S. 49.

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer