Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 38 = 2.F. 2 (1898))

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Dr. Danz,

„Der Bürger wird eben immer darauf bestehen dürfen, daß
er nun einmal nicht für den Juristen geschaffen ist, so wenig
als für die Lehrer der Chirurgie, um an sich lebendigen Leibes
anatomische Versuche anstellen zu lassen"*)!
5) Die Bestimmungen der §§ 157, 242 B.G.B. geben
weiter auch eine Garantie dafür, daß die Rechtsprechung
konform ist dem jedesmaligen Rechtsgefühl ihrer
Zeit, daß das Recht nicht veraltet.
Denn die Derkehrssitte ändert sich mit der Zeit, wie jede
Sitte; es kommen neue Verkehrssitten zur Entstehung, alte
sterben ab. Weil nun das Rechtsgefühl (vergl. S. 440) ab-
hängig ist von der jedesmaligen Verkehrssitte, von der jedes-
maligen Verkehrssitte erzeugt wird, so müssen auch bei einer

Bd. 80 S. 305 ff., und dort Citirte; Hartmann, Jhering's Jahrb. f.
Dogm., Bd. 22 S. 429; Klöppel in Gruchot's Beiträgen, Bd. 32,
S. 619; meine Auslegung, S. 76 ff. Diese Art, auf Grund solcher
Schulbegriffe den Eintritt einer bestimmten Rechtsfolge als noth-
wendig zu erklären und den Eintritt daraufhin festzustellen oder wegen
eines solchen Begriffes den Eintritt einer Rechtsfolge als unmöglich zu
bezeichnen, ist leider in der derzeitigen Generation eine weitverbreitete, weil
wir in der Hauptsache großgezogen sind in der Ueberschätzung solcher Be-
griffe und in der Unterschätzung der Zwecke, welche die Parteien durch
das Rechtsgeschäft verfolgen, das Gesetz durch seine Bestimmungen. Es
ist schwer für den Einzelnen, wenn er sich einmal in diese Art zu denken
eingelebt hat, sich in jedem Einzelfalle hiervon wieder loszumachen. Es
kann bei den praktischen Uebungen der Student gar nicht energisch genug,
hierauf hingewiesen werden; denn die formalistische Rechtsprechung,
i .e heutzutage so oft dem Juristen zum Vorwurf gemacht wird, beruht eben
gerade in der rein mechanischen Handhabung solcher Begriffe, darin, daß
die richterliche Thätigkeit aufgefaßt wird als eine „Art Mathematik" und
dabei die Hauptsache, daß die Aufstellung von Rechtsätzen nicht Selbst-
zweck ist, vielmehr die Rechtssätze nur dazu dienen, den wirthschaftlichen oder
sonstigen Interessen der Menschen Schutz zu gewähren, ganz außer Acht
gelassen wird. Vergl. auch Hartmann, Jhering's Jahrb. f. Dogmatik,
Bd. 22 S. 450.
l) Thib aut, Civilistische Abhandlungen, Heidelberg 1814, S. 423.

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