Formen des Unrechts und Thatbestände der Schadenstiftung. 413
Ebensowenig wie ein rechtswidriger Zustand ein charak-
teristisches Moment im Thatbestande der Schadenzufügung ist,
ebensowenig ist ein solches Moment die pflichtwidrige Hand-
lung, d. h. eine Wirksamkeit, die durch eine individuali-
sirte Norm verboten ist. Keine der beiden ausgeprägten
Formen des Unrechts ist für den Schadenersatz eine charakteristische
Voraussetzung. Wie aber zwischen einem rechtswidrigen Zu-
stande und einer Schadenstistung der Zusammenhang besteht,
daß jener die Existenz eines Schadens, der vergütet werden
soll, indizirt, so ist auch die Pflichtwidrigkeit der Handlung für
die Ersatzpflicht ein symptomatisches Moment und zwar als
solches von größerer Bedeutung als der rechtswidrige Zustand.
Das Delikt indizirt die Entstehung einer Ersatzpflicht, weil es
die Verursachung des Schadens durch den Willen des Schaden-
stifters beweist. Das eigentliche symptomatische Moment ist
aber, auch wo ein Delikt vorliegt, nicht das Delikt an sich,
sondern das Verschulden d. h. die Uebertretung der allgemeinen
Verbindlichkeit zur Sorgfalt. Dies ist eine „Verpflichtung",
deren Maß in verschiedenen Kulturstadien wechselt, mit der
Entwickelung im Ganzen aber eine Tendenz zur Steigerung
ausweist. Weil aber umgekehrt eine schärfere Abgrenzung der
einzelnen Delikte im Zuge der Rechtsentwickelung überhaupt
liegt, erweitert sich allmählich die Kluft zwischen den eigent-
lichen Delikten, d. h. den durch individualisirte Normen ver-
botenen Handlungen und der Schadenstistung, für welche das
„Verschulden" eine symptomatische Voraussetzung ist.
Das symptomatische Moment des Verschuldens erstreckt sich
bekanntlich nicht über das ganze Gebiet des Thatbestandes der
Schadenszufügung. Aus jener nur symptomatischen Bedeutung
des Verschuldens folgt aber die Möglichkeit, in den Fällen, wo
dieses Moment fehlt, eine Ersatzpflicht aufzustellen, ohne die
innere Einheit des Thatbestandes zu zerstören. Wie schon