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Rudolf von Jhering,
ihm entsprechenden Verhältnisses der Person zur Sache selber
stellen, erhalten wir zwei Gestaltungen des Besitzverhältnisses:
1) an den bergbaren und sperrbaren Sachen —
Gewaltverhältniß über die Sache,
2) an den freien oder offenen Sachen — kein
Gewaltverhältniß.
Der zweite Punkt, an dem ich den Nichtjuristen die Rich-
tigkeit und den Werth des von mir aufgestellten Besitzbegriffes
zu veranschaulichen gedenke, ist die durch ihn und nur durch
ihn ermöglichte Erkennbarkeit des Besitzverhältnisses für
dritte Personen. Es ist ein Punkt, der sich der Aufmerk-
samkeit der romanistischen Theorie gänzlich entzogen hat, und
der, wenn auch in privatrechtlicher Beziehung von geringer Be-
deutung, doch strafrechtlich von äußerster Wichtigkeit ist.
Es befinden sich an einer und derselben Stelle zwei Gegen-
stände: im Walde Krammetsvögel in den Dohnen, auf dem
Bauplatz Baumaterial und daneben eine Cigarrentasche. Auch
der gemeine Mann weiß, daß er sich eines Diebstahls schuldig
macht, wenn er die Krammetsvögel oder etwas vom Bau-
material mitnimmt, daß ihm aber diese Gefahr nicht droht,
wenn er dasselbe hinsichtlich der Cigarrentasche thut, der ehr-
liche Mann läßt jene Gegenstände hängen, liegen, diese steckt
er zu sich, um den Eigenthümer zu ermitteln, oder, wo dies
nicht möglich, sie an die Polizei abzuliefern. Was ist der
Grund der Verschiedenheit seines Verhaltens? Bei der Cigarren-
tasche sagt sich Jeder: sie ist verloren d. h. wider Willen
des Eigenthümers in diese Lage gekommen, und sein eigenes
Verhalten in Bezug auf sie bezeichnet er als finden, bei den
Krammetsvögel» und dem Baumaterial weiß er, daß die Lage,
in der sie sich befinden, in einer Veranstaltung des Eigen-
thümers ihren Grund hat, also seinem Willen entspricht, sie
werden nicht gefunden, denn sie sind nicht verloren, sie