Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 32 = N.F. 20 (1893))

Zur Lehre von der Kompensation.

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derselben die exceptio rei juäieatac erzeuge, ein Satz, der
uns als ganz selbstverständlich erscheinen muß.
Heutzutage wirkt die Kompensation nicht mehr Klage-
minderung, sondern wirkliche Befriedigung. Es liegt kein
Grund mehr vor, von einem besonders dolosen Verhalten
des Klägers zu sprechen, wenn durch die Art und Weise, wie
der Prozeß eingerichtet ist, der Verklagte mit nichts behindert
ist, in demselben Verfahren seine Gegenansprüche zur Geltung
zu bringen *). Nach moderner Anschauung ergreift die Ob-
i) Die Motive zu § 233 des Entwurfs (II, 41) charakteristren mit
dem Reichsgericht (Entsch. 14, S. 234) das sog. Retentionsrecht als eine
exceptio doü, bestimmt zur Wahrung des aus der bona fides abfließenden
Verhaltens der Parteien. Indessen schon nach römischem Rechte bedurfte
es da, wo das Prinzip der bona fides herrschte, der Richter also ex fide
bona zu urtheilen hatte, keiner besonderen Exzeption für die dem Richter
zu ertheilende Formel. Die weitere Kompetenz desselben zur Berücksichtigung
auch der vom Verklagten geltend gemachten Gegenansprüche war schon
durch den Umstand gegeben, daß der Kläger einen aus einem negotium
bonae fidei abfließenden Anspruch geltend machte. In den stricti juris
judiciis dagegen konnte dem Verklagten nur mittelst Gewährung einer be-
sonderen exceptio doli geholfen werden. Darin lag die Paralysirung eines
dolus seitens des Klägers, der den Prozeß dazu benutzen konnte, einseitig
seinen Anspruch in einem Verfahren zur Geltung zu bringen, in dem der
Verklagte weder selbständig einen Gegenanspruch erheben, noch diesen auch
nur mindernd für seine Kondemnation verwerthen durfte. Wenn heut-
zutage der Prozeß dem Verklagten überall die Möglichkeit gewährt, konnexe
Gegenansprüche im Wege der Widerklage zur gleichzeitigen Verhandlung
zu bringen (§ 33 CPO.), wenn der Entwurf in den §§ 233, 234, 365
dem Verklagten ausdrücklich ein Klagerecht auf Leistung Zug um Zug bei-
legen will, so ist damit die Einheitlichkeit der Entscheidung über konnexe
Ansprüche, das Recht der Konnexität gewahrt. Alle konnexen Ansprüche
werden unter dem Gesichtspunkte der bona fides behandelt. Damit entfällt
der Gesichtspunkt eines dolosen Verhaltens des Klägers als unerheblich.
Bona fides und exceptio doli begründen sich nicht, sie schließen sich aus.
Wie kann auch „die Loslösung des klägerischen Anspruchs von dem gesetz-
lichen oder natürlichen Zusammenhänge mit dem Gegenansprüche und die
Jgnorirung des letzteren durch den Kläger" noch Bedeutung haben, wenn der
Verklagte diese Loslösung, diese Jgnorirung jederzeit wirksam hindern kann?
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