Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 32 = N.F. 20 (1893))

Zur Lehre von der Kompensation.

237

in seiner Sichbethätigung, und diese Minderung konnte nur
der Richter vollziehen. Sie ergab sich aus der strengen Ein-
seitigkeit des älteren Prozesses, der zu Folge es nicht statthaft
war. einen selbst konnexen Gegenanspruch in den Prozeß
hineinzuziehen und zur besonderen *) Entscheidung bringen
zu lassen, wie denn auch das materielle Recht bei zweiseitigen
Geschäften die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der daraus
entsprungenen gegenseitigen Obligationen fefthielt. Dolo facit,
qui petit, quod redditurus est1 2 3 4). Das Handeln des Gläubi-
gers durch Klageerhebung erschien um deshalb besonders dolos,
weil der Schuldner ihm im Prozesse mit seiner Gegenforderung
nicht beikommen konnte2). Andererseits bezweckte der Prozeß
an sich nicht die reelle Leistung der dem Verklagten obliegenden
Handlung. Er gab im Anschlüsse an das den letzteren ver-
urtheilende Erkenntniß keine Vermögendexekution gegen diesen.
Das verurtheilende Erkenntniß dokumentirte nur die gesteigerte
Macht des Gläubigers, den widerstrebenden Willen des
Schuldners zu brechen. Auch nach dem Urtheile hatte dieser
in Person zu leisten. Kein Dritter, auch nicht der Richter
hätte die Leistung vermitteln können. Es wäre dies keine
Herrschaft über den Willen des Schuldners gewesen *).

1) Auch in den bonae fidei judiciis, wo der Richter konnexe Gegen-
ansprüche ex fide bona zu berücksichtigen hatte, konnte dieser immer nur
ästimiren, quantum actori restitui debeat. § 30 Inst. 4, 6.
2) redditurus: nämlich in dem künftig vom Schuldner gegen den
Gläubiger anzustellenden Prozeße.
3) Die Widerklage des römischen Rechts war nur eine ganz äußerliche
Anlehnung des Widerklageprozesses an den Klageprozeß. Erst in der
späteren klassischen Zeit erkannte der Richter bei Widerklagen auf Kompen-
sation und zwar ex officio. Damit war die exceptio doli als überflüssig
aus der Einrichtung des Prozesses verschwunden. Dernbürg, a. a. O.,
S. 262 ff.
4) Im System der Personalexekution muß der ExekutionSzwang noth-
wendig ein einseitiger sein. — Dernburg, a. a. O. S. 20, berührt die
XXXII. N. F. XX. 16

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer