Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 32 = N.F. 20 (1893))

Zur Lehre von der Kompensation.

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die Existenz einer kompensablen Gegenforderung nachgewiesen
ist, so liegt der erste Grund für die Kompensationseinrede
lediglich in der Handhabung des Rechts des Gläubigers
durch diesen. Die Klage desselben wird abgewiesen, weil er
sich mit seinem Schuldner hätte vertragen sollen, und das Ur-
theil vollzieht nur hinterher diese Forderung der Billigkeit.
Wenn dies in dem römischen Recht so war, warum soll es
denn nun im gemeinen Rechte für nöthig erachtet worden sein,
zwischen Entstehung und Geltendmachung der Gegenforderung
noch einen besonderen, vor dem Prozesse liegenden Erwerbsakt
der Kompensationsbefugniß einzuschalten?
Wind scheid kennt nur eine von der Gegenforderung
ohne Zuthun der Partei ausgehende „Kompensationskraft".
Von einem besonderen Erwerbe derselben kann natürlich keine
Rede sein. Er ftatuirt daher nur eine Repudiation dieser
Kraft, die in der Nichtgeltendmachung der Kompensationsein-
rede liegen soll.
So sind beide Rechtslehrer über die Theorie der Sache
durchaus uneinig. Wenn aber beide darin wieder über-
einstimmen, daß ihre Theorien im praktischen Resultate auf die
Rückwirkungstheorie hinauslaufenl), welchen besonderen Werth
können diese dann noch für die heutige Rechtsanwendung be-
anspruchen? Es ist im Grunde doch die alte Theorie des
Az o, die sie vertreten, und dem Entwürfe des bürgerlichen
Gesetzbuches ist daher daraus ein Vorwurf weiter nicht zu
machen, daß er mit der alten Sache auch den alten Namen
beibehalten hat.

i) Windscheid, Pand., a. a. O. N. 12; Dernburg, Kompens.,
S. 302.

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