Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 68 = 2.F. 32 (1919))

Schuld und Haftung im geltenden Rechte.

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wenn sie schwankend würden, das bestimmende Motiv. Man
will sich nicht gern mahnen und klagen, oder gar verurteilen
und pfänden lassen, man will die Nachteile nicht auf sich
nehmen, die durch Verzug und Gerichtskosten erwachsen,
man will es schon gar nicht zur Zwangsversteigerung kommen
lassen mit all ihren materiellen und moralischen Nachteilen
und zahlt seine Schulden, solange man hierzu die Mittel
hat und soweit man diese aufbringen kann. Schon zum
Rechtsstreit in seinen verschiedenen Formen kommt es doch
aller Regel nach nur, wenn es streitig ist, ob der Anspruch
überhaupt besteht, oder wenn es dem Schuldner bzw. dem
Haftenden momentan oder dauernd an Zahlungsmitteln ge-
bricht ; und das ist auch der Fall, in dem es normalerweise
zur Zwangsvollstreckung kommt. Die Fälle, wo andere Ur-
sachen zur Durchführung des Rechtsstreits und zur Voll-
streckung führen, spielen demgegenüber eine völlig unter-
geordnete Rolle.
Als beste Form der Haftung wird immer die gelten
müssen, die schon durch ihre Existenz den Schuldner zur
Leistung veranlaßt und — wenn sie je zur Anwendung
gebracht werden muß — mit dem geringsten Maße von
Schädigung auf beiden Seiten die Ersatzleistung, die Ge-
währung eines möglichst gleichwertigen Ersatzes eines wirt-
schaftlichen Ausgleichs sicherstellt; am liebsten ist uns immer
die Haftung, von der man weiß, daß es nicht nötig sein wird,
sie geltend zu machen. Weit mehr als im Strafrecht wirkt
meines Erachtens im privaten Haftungsrecht schon die An-
drohung des Uebels, die hier ganz wesentlicher Teil der
Rechtsordnung ist, und es ist nach meiner Ueberzeugung
eine vollständige Verkennung des realen Rechtslebens und
der dasselbe bestimmenden und beeinflussenden treibenden
Kräfte, wenn man diese ethische und psychische Bedeutung

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