Volltext: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 68 = 2.F. 32 (1919))

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v. Schwind,

daß es vielleicht nicht lohnend erscheint, sie mühsam aus
den entlegensten Gebieten, vielleicht auch aus dem Reiche
der Unwahrscheinlichkeiten zusammenzutragen. Historische
Pedanterie, auch noch nach solchen kleinen Brocken zu fahnden,
bloß weil in ihnen die Reste einer größeren Vergangenheit
zu erblicken sind. Mag sein, aber der Blick in diese größere
geschichtliche Vergangenheit bewahrt uns vor dem Fehler
der Einseitigkeit, in den der reine Dogmatiker leicht verfällt.
Um auf den Schuldner einen moralischen Druck aus-
zuüben, hatte das ältere Recht einen ganzen stolzen Aufbau
von Hastungsformen ausgebildet, die nur diesem Zwecke
dienten. Und die anderen Haftungsformen, die materielle
Sicherheit anstrebten, diente eine von ihnen nicht auch
diesem Zwecke? Und ist es im geringsten anders mit
den Haftungen der Gegenwart, mag man an persönliche, oder
wie ich unten ^ noch näher auszuführen habe, an Sach-
haftung denken? Es scheint mir ein völliges. Verkennen
des Haftungsapparates unseres heutigen Rechts zu sein,
wenn man dabei nur auf die Zwangsvollstreckung und ihr
letztes Ergebnis blickt.
Fragen wir, aus welchen Gründen die verschiedenen
Schuldner ihre Schulden erfüllen, so wird die Antwort nicht
einheitlich ausfallen können1 2). Manchen vielleicht besonders
zart besaiteten Menschen wird die Tatsache genügen, daß
sie etwas tun sollen; für solche wären keine Haftungen
nötig. Anderen genügt es, daß die Rechtsordnung die be-
stimmte Leistung von ihnen verlangt; sie sind zu rechtlich
gesinnt, als daß sie etwas unterlassen wollten, was die
Rechtsordnung gebeut. Für die Mehrzahl aber ist die recht-
liche Einrichtung der Haftung für die Erfüllung der Schulden,
1) Siehe S. 26 ff., 32.
2) Vgl. auch O. Schreiber, a. a. O. 187.

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