Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 68 = 2.F. 32 (1919))

Schuld und Haftung im geltenden Rechte.

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Für unser älteres Recht treten die Haftungsformen, die
vor allen oder ausschließlich auf den Willen des Schuldners
einwirken sollen, weit mehr hervor als im heutigen Rechte.
Wenn man im Mittelalter häufig Vereinbarungen trifft,
wonach des säumigen Schuldners Seele nach dem Tode
allen möglichen Strafen verfallen, oder er selbst bei Leb-
zeiten exkommuniziert und diesen oder jenen Strafen aus-
gesetzt sein soll; wenn der Schuldner dem Gläubiger das
Recht einräumt, Schand- und Spottbilder herzustellen und
des Pflichtwidrigen Namen auf den Galgen zu schreiben
u. dgl. m., so wird man in all diesen Haftungsformen ver-
geblich nach irgendeinem Elemente suchen, welches un-
mittelbar und greifbar dem Gläubiger einen wirtschaft-
lichen Ausgleich oder Ersatz gewähren würde. Auf die
gleiche Liste ist z. B. für die Lex Salica der ganze Teil
des Exekutionsverfahrens zu stellen, der außerhalb der üäes
kaeta (LI, 3) steht, der mit der Bußandrohung von 3 sol.
beginnt und mit der Friedloslegung, dem ponere extra ser-
monem reZis abschließt *); und wieder vom späteren Recht
das berüchtigte „Einlager"; aber auch die strengste Form
der persönlichen Haftung, die Vergeiselung, — sei es Dritter,
sei es des Schuldners selbst — wird wohl mehr unter
diesen Gesichtspunkt, als unter den des wirtschaftlichen
Aequivalentes einzureihen sein.
Erscheint uns dieses letztere als das allerwichttgste
in allem Haftungsrecht, so können wir doch nicht be-
streiten, daß, soweit die hier besprochenen Machtmittel
wirklich einen starken Druck ausübten auf den Willen
des Schuldners, sie ihrem Ziel vielleicht nicht weniger gut
dienten als unsere heuttge persönliche Haftung mit ihrer

1) z. B. L. Sal. I; XLV; XLIX; L 1, 2; LII; LVI.

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