Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 65 = 2.F. 29 (1915))

Ungerechtfertigte Durchbrechung der Rechtskraft usw. 343
der Nichtigkeitsklage in der Prozeßordnung als der einzige
zulässige Weg bezeichnet ist, auf dem ein rechtskräftiges
Urteil unter Fortsetzung des alten Verfahrens angegriffen
werden kann. Das Reichsgericht löst nämlich seine Klage
vollkommen vom Prozeßrecht los und will sie nur dem
bürgerlichen Recht entnehmen, indem es den in allen seinen
Urteilen wiederkehrenden Satz aufstellt *), die Schadensersatz-
klage werde durch die Bestimmungen über das Wieder-
aufnahmeverfahren nicht ausgeschlossen; denn diese regelten
nur die Zulässigkeit einer Anfechtung rechtskräftiger Urteile
auf prozessualischem Gebiet; bei der Schadensersatzklage aber
handle es sich nicht darum, den Bestand des rechtskräfügen
Urteils an sich wieder in Frage zu stellen, sondern nur
darum, eine Ausgleichung des gerade durch diesen Bestand und
seine formellen Folgen verursachten Schadens herbeizuführen.
Auf diese Weise gelangt das Reichsgericht zu dem Ergebnis1 2),
daß es kein Hindernis für die Klage sei, wenn das unge-
rechte Urteil noch durch rechtzeitige Anwendung prozessualer
Rechtsbehelfe, durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
oder durch Wiederaufnahme des Verfahrens zu beseitigen
sei. Wenn das richtig wäre, dann geriete allerdings die
Schadensersatzklage mit den Wiederaufnahmebestimmungen
nicht in Widerstreit, die Restituüonsklage und die Schadens-
ersatzklage gingen nebeneinander her. Aber die Ausführungen
des Reichsgerichts sind nur eine Scheindeduktion, welche die
wahre Bedeutung der reichsgerichtlichen Rechffprechung nur
verschleiert. Denn in Wirklichkeit führt die Klage zu einer
Vernichtung des rechtskräfügen Urteils und zu einer Wieder-
erlangung der verlorenen Rechtsstellung für den Unterlegenen,
wie dies nur durch die ordentlichen und außerordentlichen

1) z. B. in RGE. 46, 75.
2) RGE. 78, 393.

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