Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 65 = 2.F. 29 (1915))

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Ludwig Mitteis,

alle diese vom Gesetzgeber nicht durchdachten Fragen sich
an einer Fülle praktischer Beispiele vergegenwärtigte. Sehr
mit Recht beklagte sich Strohal, das Erbrecht sei die
unfertigste Partie im Bürgerlichen Gesetzbuch, weil man in-
folge der überstürzten Fertigstellung des Gesetzes nicht mehr
dazu gekommen sei, die einschlägigen Fragen genügend zu
Ende zu denken, und weil die Resultate der verschiedenen
Vorarbeiten ungelüutert in das Gesetz übcrgegangen seien.
Trotzdem lehnte er es entschieden ab, diesen Teil des Ge-
setzes als mißlungen, z. B. die Regelung der Erbenhaftung
als unbefriedigend zu bezeichnen. Einen Hinweis darauf,
daß das gemeinrechtliche System der Jnventarhaftung ein-
facher gewesen sei, lehnte er mit Entrüstung ab: „Die Dinge
sind an sich schwierig; den Leuten vom gemeinen Recht er-
scheinen sie nur leichter, weil die ja von den praktischen
Fragen keine Ahnung haben." Ueber diese Fragen grübelte
er dann in den Ferien 1906 Tag und Nacht; tagsüber war
er nicht zu entdecken, höchstens daß man abends beim
Schlummerschoppen herausbekam, womit er sich tagsüber
beschäftigt hatte. Aber im Herbst lag das Erbrecht voll-
endet vor. Diese erste Auflage ist freilich nur ein erster
Wurf, wenn man bedenkt, was in den späteren Auflagen
aus dem Werk geworden ist. Ein großartiges Gedanken-
gebäude, in welchem die zahllosen Probleme, welche durch
den Erbgang entstehen können, wohl zum erstenmal in
ihrem vollen Reichtum gesehen, zum größten Teil auch ge-
löst sind. „Wenn wir viele solche Bücher Hütten!" schrieb
mir Lenel nach dem Erscheinen der dritten Auflage. In
der Tat, es sind wenige Fragen, auf die das Buch nicht
Auskunft gibt. Vor allem: die scholastische Frage, ob der
Erbe beschränkt oder unbeschränkt hastet, ist durch die Heran-
ziehung der einschlägigen Bestimmungen der Zivilprozeß-

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