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Ludwig Mitteis,
gleich in seiner ersten systematischen Schrift auf dem Gebiet
des neuen Rechts getan hat, in seiner Darstellung des Besitz-
rechts. Diese Arbeit gehört zu den juristischen Meisterwerken
aller Zeiten; Strohal selbst hat weder früher noch später
etwas geschrieben, was sie überträfe. Das wird trotz des
ungeheuren Erfolgs, den seine Darstellung erzielt hat und
fortdauernd behauptet, noch lange nicht genügend gewürdigt,
weil man sich nicht ins Bewußtsein ruft, vor wie viel Jrr-
gängen, Mißgriffen und scholastischen Streitigkeiten wir da-
durch bewahrt worden sind, daß hier das richtige Bild so-
fort in voller Klarheit gezeichnet worden ist. Die heutige
Generation hat eben die zahllosen unfruchtbaren Streitig-
keiten, die auf diesem Gebiet in früherer Zeit geherrscht
haben, bereits vergessen. Wäre nur ein Teil davon in
unsere Zeit herübergedrungen, es wäre der Scholastik kein
Ende. Und zu wieviel Unklarheiten drohten die neuen
Begriffe des mittelbaren und unmittelbaren Besitzes, des
Besitzdieners, die Besitzüberweisung, die Ausschaltung des
Besitzwillens u. a. Anlaß zu geben. Da handelt es sich
nicht um ein Plus oder Minus, das man zu den alten
gemeinrechtlichen Sätzen hinzuzufügen oder abzuziehen hätte,
sondern wir sind in eine neue Welt versetzt und da galt es
sehen zu lernen. Mit der zarten schmiegsamen Hand, die
seine ganze Arbeitsweise auszeichnet, hat Strohal diese
Probleme angefaßt. Omnis definitio in jure civili peri-
culosa: da wird der Begriff des Besitzdieners nicht auf
eine abstrakte Definition gestellt, sondern alles ist lebendig
empfunden, und aus dieser Empfindung des Natürlichen
und sozial Angemessenen heraus jeweils die richtige Grenze
bestimmt. Der Angestellte, den sein Prinzipal zur Ein-
ziehung von Außenständen in den Orient schickt, wird Be-
sitzer, und Besitzer bleibt auch der Dienstbote an seinen