Emil Strohal.
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faßte, kam es darauf an, die Zersplitterung zu beseitigen,
in welche die gemeinrechtliche Jurisprudenz durch das Auf-
treten Savignys und seiner Schule zerfallen war. Durch
die Tätigkeit der historischen Schule war nämlich der gute
alte Ü8U8 moä6ruu8 pandectarum, der trotz vieler Jrr-
tümer im einzelnen doch ein eminent solides und wohn-
liches Gebäude für die Praxis gewesen war und in seiner
stark deutschrechtlich orientierten Eigenart sich zur Zivilistik
des Cujaz etwa wie Protestantismus zu Katholizismus ver-
hielt, der war in tausend Splitter zerschlagen, und es handelte
sich darum, diese wieder zu einem brauchbaren Gefüge zu-
sammenzusetzen. Das hat Wind scheid getan, allerdings
nicht mit schöpferischer Kraft und nicht so, daß ein wahrer
Neubau entstanden wäre, aber er hat doch der Wissenschaft
des ausgehenden gemeinen Rechts Dach und Fach geschaffen,
wo das Brauchbare zu holen war; es war kein Dom, aber
ein Magazin, in dem das verwendbare Material ordentlich
verstaut war. Für ein Recht, das damals auf Abbruch
stand, wie es von dem gemeinen Recht seit der Reichs-
gründung gesagt werden kann, war das ausreichend.
Ganz anders war die Aufgabe, vor die Strohal sich
gestellt sah. Es kam darauf an. die abstrakten Sätze des Bürger-
lichen Gesetzbuchs in lebendiger Wirklichkeit aufleben zu lassen.
Das Gesetz gibt einen Grundriß, diesen auszubauen ist Sache
des Bearbeiters. Der Kombinationsmöglichkeiten sind viele;
das Richtige zu treffen, ist eine Aufgabe, die eine wahrhaft künst-
lerische genannt werden muß. Sie erfordert wie jede schöpfe-
rische Tätigkeit eine reiche Phantasie, welche dem toten
Schema lebendige Züge zu verleihen weiß, und sie erfordert
die Kraft, diese Phantasie zu zügeln und in den richtigen
Bahnen zu halten. Niemals hat ein juristischer Schrift-
steller diesen Postulaten besser genügt, als es Strohal