Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 41 = 2.F. 5 (1900))

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Franz Leonhard,

Daß diese Auslegung nur beim Wahlrecht des Gläubigers
geübt worden sei *), ist nicht recht wahrscheinlich. Aber es
spricht auch die 1. 138 § 1 eod. dagegen, die am besten eben-
falls in demselben Sinne zu verstehen ist 1 2 3) und sich auf das
Wahlrecht des Schuldners bezieht.
Es handelt sich also im Grunde um eine Frage der Aus-
legung. Das schließt aber noch keineswegs aus, daß dabei
doch auch erhebliche praktische Gründe mitsprachen. Bekannt
ist ja, wie die Römer zur Berücksichtigung solcher Zweckmäßig-
keitsgründe am liebsten den gewundenen Weg der tendenziösen
Auslegung einschlugen — wahrscheinlich um so für andere
Fälle freie Hand zu behalten. Der praktische Gedanke der
römischen Juristen war nun hier jedenfalls der, daß der Wäh-
lende nicht berechtigt sein sollte, durch seine einseitige Erklärung
den Gegner zu benachtheiligen^). Deshalb ließen sie eine
Vereinfachung zu Gunsten des Erklärenden nicht eintreten, und
— da sie beides anscheinend als untrennbar betrachteten 4) —
auch nicht zu seinen Ungunsten.
Diese Erwägung war bei der Auslegung gewiß mit wirk-
sam. Aber sie verhinderte doch nicht, daß einige Juristen
anderer Ansicht waren und der einseitigen Wahl die Wirkung
der Vereinfachung beilegten. Ausdrücklich thut dies Julian
(ä. de leg. I 1. 84 § 9). Das Gleiche ist aber auch für eine
Stelle von Scaevola (d. 16, 2 de comp. 1. 22) anzu-
nehmen. Denn die Erklärung ist auch hier lediglich eine ein-

1) Bernstein, a. a. O. S. 51.
2) Willkür und Willenserklärung, S. 195; vergl. auch 6. 40, 5 de
fid. lib. 1. 22 § 1.
3) Bernstein, a. a. O. S. 50 ff.; vergl. Windscheid, Bd. 2
S. 17 unten in Anm. 9.
4) d. de leg. I 1. 84 § 9; de leg. II 1. 11 § 1.

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