Full text: Zeitschrift für deutsches Staatsrecht und deutsche Verfassungsgeschichte (Bd. 1 (1867))

Die völkerrechtlichen Grundlagen einer neuen Gestaltung Deutschlands. 529
Oesterreich den Verlauf der Entwickelung der nationalen Sache schwerlich
vorausgesehen hat, als es in die Vertragsbestimmungen von Nikolsburg
und Prag willigte, deren Wortlaut und Geist allerdings diesem Verlauf,
so unerwartet er für Oesterreich sein mag, kein irgendwie erhebliches und
ernstes Hinderniß in den Weg stellt. Wenn jene Stipulationen nichts
Hemmendes enthalten, sondern eine Anwendung zulassen, die vielleicht über
den Horizont des einen Contrahenten hinausgeht, so wird die geistige
Ueberlegenheit des anderen Contrahenten, die sich hierin wieder bewährt
hätte, wünschenswerth erschauen lassen, praktische Mittel zu suchen und
zu finden, um den anderen Contrahenten mit der ihm unerwarteten und
unbequemen, aber rechtlich ohne allen Zweifel zulässigen Anwendung der
Nikolsburger Bestimmungen, soweit sie die Zukunft Deutschlands betreffen,
einigermaßen vertraut zu machen.
Damit wäre die Mainlinie überschritten. Keineswegs liegt darin
eine Ueberschreitung der Linie der mit Oesterreich nach dessen Niederlage ab-
geschlossenen Verträge. Es ist ein Märchen, welches Niemand glauben kann,
der diese Verträge mit Aufmerksamkeit gelesen hat, daß sie die Mainlinie
als Grenze festsetzen, wenn nicht Süddeutschland diese Grenze einhalten
will, daß sie die Theilung Deutschlands in einen Norden und einen Sü-
den, die beim besten Willen „näherer Verständigung" eine nationale Ver-
bindung untereinander nicht eingehen können, irgendwie sanctioniren. Es
ist eine Verleumdung, daß in Nikolsburg und Prag nicht die Zukunft
Deutschlands, von der doch die Verträge mit Bayern, Sachsen-, Baden
u. s, w. in direkter Beziehung auf Nikolsburg ausdrücklich reden, sondern
ein Großpreußen und allenfalls ein separirtes Norddeutschland begründet
sei. Der Präliminarfriede von Nikolsburg und der Friede von Prag
handeln in bestimmtester Weise von der Neugestaltung „Deutschlands."
Sie zeichnen keine bestimmte Form des künftigen Deutschland vor; sie
lassen die Möglichkeit offen, daß es bei einem „engeren Bundesvörhält-
niß nördlich von der Linie des Mains" und einem Verein, in welchen „die
südlich von dieser Linie gelegenen deutschen Staaten" zusammentreten und
welcher dann eine internationale unabhängige Existenz hätte, sein Bewen-
den habe, ja daß die „nähere Verständigung zwischen Beiden," welcher die
„nationale Verbindung" Beider Vorbehalten bleibe, an dem vielberufenen
und durch den Krieg scheinbar erwiesenen Gegensätze von Nord und Süd
scheitere; sie schließen nur jede Möglichkeit einer „Betheiligung des öster-
reichischen Kaiserstaats" mit „Zustimmung" des Kaisers von Oesterreich
aus und ebnen so die Bahn für die Eventualität einer bleibenden soge-
nannten Dreitheilung Deutschlands. Gleichwohl räumen sie in der un-
zweideutigsten Weise jeden Widerspruch Oesterreichs hinweg gegen „eine
Zeitschrift f. deutsches Staatsrecht. 1. Bd. 36

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