Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 51 = 2.F. 15 (1907))

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Victor Ehrenberg,

von Vorstand und Aufstchtsrat möglicherweise ebenfalls ihre
Pflichten nach § 241 und § 249 (§ 260H) verletzt und machen
sich nach ß 314 Z. 1 strafbar.
Wenn das Reichsgericht trotz seines richtigen Prinzips
dennoch in demselben Erkenntnisse einige feste und allgemeine
Regeln aufstellt, so muß dabei vor allem beachtet werden, daß
der Tatbestand, Mer den das Gericht zu erkennen hatte, ein
besonders gravierender war. In der IW. 1906, 255 (der
dort gegebene Auszug lag den mir bisher bekannt gewordenen
Besprechungen des Erkenntnisses zu Grunde) wird behauptet,
daß für eine im Geschäftsbericht der betreffenden Aktiengesell-
schaft verschwiegene Veruntreuung Deckung vorhanden gewesen
sei. und daraufhin habe das Gericht sein drakonisches Urteil
erlassen. Nach dem wörtlichen Abdrucke im 38. Bande der
strafrechtlichen Erkenntnisse lag aber die Sache ganz anders.
In die Bilanz war unter „Kontokorrent-Debitoren" die Ersatz-
forderung gegen den Direktor H„ der die Unterschlagung be-
gangen hatte, als vollwertig eingestellt, obwohl H. zahlungs-
unfähig und die Forderung zum großen Teil ungesichert und
uneinbringlich war. Und in dem Geschäftsberichts war nicht
nur diese Veruntreuung verheimlicht, sondern sogar gesagt
worden: „Das verflossene Geschäftsjahr ergab durchschnittlich
ein erfreuliches Ergebnis" und „die wirklichen Verluste auf
Debitoren haben wir auf Dubiösen-Konto bezw. Gewinn- und
Verlust-Konto abgeschrieben". Die Bilanz war also falsch,
und der Geschäftsbericht enthielt neben wissentlichen Ver-
schleierungen sogar direkt unwahre Behauptungen, jedes
für sich allein hätte genügt, um die Mitglieder des Auffichts-
rats strafbar zu machen, und es ist begreiflich, daß dieser Tat-
bestand dem Gericht zu einer sehr energischen Sprache Ver-
anlassung gab.
Aber das rechtfertigt allerdings nicht die vom Gericht nun

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