Wahrheit und Offenheit im Aktienrecht. 301
nach unvollständig sein, und mit Recht verlangt auch der § 314
daher nur, daß in dem Geschäftsbericht nichts „unwahr dar-
gestellt" wird, d. h. alle Tatsachen, die im Geschäftsberichte
stehen, müssen richtig sein; er verlangt ferner, daß „nichts
verschleiert" wird10), d. h. durch die Art der Darstellung, durch
die Gruppierung der Tatsachen oder auch durch Unter-
drückung von Tatsachen darf nicht ein falsches Bild von
dem Stande der Verhältnisse der Gesellschaft in dem Leser
(oder Hörer) erzeugt werden; aber weiter geht der § 314
nicht ii), er verlangt von dem Bericht keine „Vollständigkeit".
Also nur dieser innere, in dem Wesen beider Aufzeich-
nungen begründete Unterschied läßt eine verschiedenartige juristische
Behandlung von Bilanz und Geschäftsbericht als berechtigt und
notwendig erscheinen; daß die Bilanz in den Zeitungen ver-
öffentlicht, der Geschäftsbericht nur zum Handelsregister ein-
gereicht werden soll, ist — wie bereits oben S. 295 ausgeführt
wurde — hierfür gleichgültig. Mag der Geschäftsbericht auch
in erster Linie zur Information der Aktionäre dienen, so würde
deren Interesse, z. B. an der Hochhaltung des Kurses der
Aktien, doch niemals genügen, um deswegen eine Tatsache
zu verschweigen, die auch geeignet wäre, dritten Personen (den
Käufern von Aktien) die Augen zu öffnen. Unrichtig aber
wäre es auch, umgekehrt einen Geschäftsbericht zwar nur dann
für strafbar zu erklären, wenn er eine Unwahrheit oder eine
Verschleierung enthält, gegenüberder Gesellschaftaber,
also privatrecktlich dem Vorstand und Aufsichtsrat die Ver-
pflichtung zur schrankenlosen Offenheit auch für den Geschäfts-
bericht aufzuerlegen und insoweit auch für diesen den Grund-
satz der Vollständigkeit zu proklamieren: diese Ansicht enthält
10) Eigentümliche Auffassung von diesem Begriff bei Re hm,
Bilanzen 870.
11) Insoweit stimme ich den Ausführungen von Mittelstadt zu
(DJZ. 7 [1902], 520 ff.), auf die weiter unten noch näher einzugehen ist.