Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 51 = 2.F. 15 (1907))

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Victor Ehrenberg,

vielmehr soll eine solche Anfechtung nur zulässig sein, wenn
die Aktien der anfechtenden Aktionäre den zwanzigsten Teil des
Grundkapitals erreichen (HGB. § 271 Abs. 3 Satz 2). Daraus
ergibt sich indirekt, daß die Anlegung von stillen Reserven,
wenn sie keine (Gesetzes- oder) Statutenverletzung enthält, über-
haupt zulässig ist und nicht der Strafe des § 314 Z. 1 unter-
liegt. Daraus ergibt sich ferner, daß Vorstand und Aufsichts-
rat befugt sind, eine solche Bilanz der Generalversammlung
zur Genehmigung vorzulegen; ob sie bei der Erläuterung der
Bilanz (also z. B. im Geschäftsbericht) der Generalversamm-
lung anzeigen müssen, daß sich in der Bilanz stille Reserven
befinden, ist eine andere Frage, auf die später zurückzukommen ist.
Der Grundsatz der Bilanz Wahrheit reduziert sich also
auf die Vorschrift, daß kein Aktivposten zu hoch, kein Passiv-
posten zu niedrig angesetzt werden darf — sonst ist die Bilanz
zahlenmäßig falsch —, und daß jeder Posten unter einer zu-
treffenden Bezeichnung eingestellt werden muß, sonst verschleiert
sie den Vermögensstand der Gesellschaft, mag sie auch zahlen-
mäßig richtig abschließen.
Der Grundsatz der Bilanzvollständigkeit reduziert sich
aus die Vorschrift, daß kein Passivposten ausgelassen werden
darf, sonst ist die Bilanz zahlenmäßig falsch6 7).
2) Das Bild, welches die Bilanz von dem geschäftlichen
Stand der Gesellschaft gewähren soll, ist aber ferner ein
Augenblicksbild, maßgebend ist dafür der Zeitpunkt des
Jahresabschlusses?). Die Bilanz hat weder in die Ver-
gangenheit zurückzugreifen, noch Zukunftsmöglichkeiten vorwegzu-
6) Das sog. Prinzip der „Kontinuität der Bilanzansätze" ist meines
Erachtens kein juristisches, sondern lediglich ein kaufmännisch-technisches.
Ausführlich darüber Neukamp, a. a. O. 496ff.; vergl. auch Rehm,
Bilanzen 789 f.
7) Simon, Bilanzen der Aktiengesellschaften in ff.

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