Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 51 = 2.F. 15 (1907))

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Oberwinter,

Der Lebensanschauung entspricht dies gewiß nicht. Auch findet
eine solche Anficht keinerlei Grundlage im geltenden Rechts.
Ich glaube kaum, daß das Reichsgericht bei einer Ab-
stimmung in den maßgebenden Kreisen — und nur deren Urteil
kann für den Sachbegriff bestimmend sein — viel Stimmen
auf seine abweichende Anficht vereinigen würde. Die Stimmen
der unteren Gerichte, die sich seiner Anficht anschließen, möge
es gar nicht ins Feld führen. Daß diese beinahe gezwungen
sind, aus Opportunitätsgründen dem Reichsgericht Gefolgschaft
zu leisten, liegt klar auf der Hand. Das Reichsgericht kann
dem auch nicht entgegenhalten, daß, wollte man den Begriff
„Sache" so leicht als gegeben annehmen, unglaubliche Resultate
die Folge sein würden, man müsse dann auch dem Balken im
Hause die Qualität einer selbständigen Sache zusprechen, er
könne nicht mehr als unselbständiger Teil des Hauses be-
trachtet werden, denn es sei sehr wohl denkbar, daß z. B. ein
leicht entfernbarer Dachbalken weggenommen, verkauft und
anderweitig verwendet werde.
Allerdings war der Balken vor seiner Verwendung eine
selbständige Sache, nachdem er aber einmal für einen bestimmten
Gebrauch zugeschnitten oder ausgesucht und benutzt ist, hat er
seine Selbständigkeit eingebüßt, er ist für das Verkehrsleben
nicht mehr ein überall verwendbarer Baubalken, wenn er auch
in diesem oder jenem speziellen Falle wegen zufällig gleicher
Maße ebenso gut verwendbar sein sollte wie an seinem alten
Platze. Niemandem wird es einfallen, den verbauten Balken
noch als selbständige Sache zu betrachten. Trotz des ähnlich
i) Die entgegengesetzte Anschauung findet man vielfach in juristischen
Abhandlungen vertreten (vergl. z. B. noch kürzlich Oertmann a. a. O.),
sie ist eine Folge der historischen Entwickelung, deren Irrtümlichkeit sich aus
dem zweiten, historischen Teil der Arbeit ergibt, eine Folge falscher Auf-
fassung des Satzes: omne quod inaedificatur solo cedit.

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