Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 51 = 2.F. 15 (1907))

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W. v. Blume,

„Gebundenheit" des Antragstellers — das bedeutet, daß
der wirksam gestellte Antrag, solange er von Rechts wegen
besteht, nicht widerrufen werden kann. Indem das Gesetzbuch
diese Gebundenheit verordnete, trug es einer alten Forderung
der gemeinrechtlichen Literatur und dem Rechtszustande im Be-
reiche des MR. (15 §§ 70-103) und des HGB. (Art. 310)
Rechnung. Der Antragsempfänger sollte daraus vertrauen
können, daß mit seiner Annabmeerklärung der Vertrag zu stande
kommen werde. Diese „Gebundenheit" bedeutet keine „Ver-
pstichtung" zu einer Leistung. Sie gewährt dem Empfänger
des Antrags kein Forderungsrecht, sondern eine Möglichkeit
des Rechtserwerbes, ein Gestaltungsrecht. Und zwar in den
meisten Fällen so, daß er das Forderungsrecht nur begründen
kann, indem er sich durch seine Annahmeerklärung zugleich
verpstichtet. Gemeinrechtlich hatte man wohl dem Antrags-
empsänger hellen wollen, indem man an den Antrag eine
Garantiepflicht knüpfte: widerrief der Antragsteller vorzeitig, so
sollte er dem anderen den durch die Enttäuschnng bereiteten
Schaden ersetzen. Aber damit war dem Antragsempfänger
wenig gedient. Denn, wie die Motive (T. 166) richtig be-
merken, kommt es für den Verkehr darauf an, daß aus dem An-
träge sich eine klare Rechtslage ergebe, während die Verweisung
auf den Schadensersatz lähmend wirkt. Aus § 145 BGB. eine
Pflicht für den Antragsteller herzuleiten, ist demnach unmöglich.
Aber das Gesetz knüpft auch eine Pflicht an den Antrag,
und zwar in § 149: Ist eine rechtzeitig abgesandte Annabme-
ertlärung infolge ungewöhnlicher Umstände verspätet angelangt,
der Vertrag also nicht zu stande gekommen, so hat der Antrag-
steller dem Annehmenden dies unverzüglich mitzuteilen. Die
vom Gesetze hieran die Pflichtverletzung geknüpfte Folge darf ein
besonderes Interesse für sich in Anspruch nehmen. Denn auch
in diesem Falle sorgt das Gesetz nicht für Ersatz des ein-

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