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von Mittelstaedt: Die Form der Mündlichkeit und Schriftlichkeit
tei beschränkt werden darf, daß also die Vertagung der Verhandlung regel-
mäßig als der gerechteste Ausweg in den Fällen erscheint, wo ohne diese die
Beeinträchtigung der Vertheidigung wirklich in Frage ist. Dagegen wird
auch der Grundsatz, daß der als offenbare Chikane erscheinenden Prozeß-
führung von dem Richter ein Damm entaegenzusetzen ist, unter Um-
ständen die Ausschließung erheblicher verspäteter Behauptungen oder
deren Verweisung zu separater Verfolgung rechtfertigen. Der Richter
wird den konkreten Fall beurtheilen. Da die Furcht vor solcher richter-
lichen Entscheidung jeder Partei Aufmerksamkeit und namentlich Unter-
lassung offener Chrkane anempfiehlt, so wird die Anwendung der ultima
ratio wohl )ur großen Seltenheit werden.
o. Die Schlußanträge müssen dem Richter schriftlich
formulirt übergeben werden. Dieser Grundsatz erhöht, wie be-
reits ausgeführt, die Garantie für die Sicherheit der Information.
Der schriftliche Schlußantrag gewährt zugleich einen schriftlichen Beweis,
welchen der Richter gegen den Vorwurf der Ueberschreitung des Um-
fanges oder der mangelhaften Benutzung des ihm übergebenen Materials
anrufen kann, und der Partei die Garantie, daß der Richter die Gren-
zen feines Feldes achten und alles in dieselben eingeschlossene Material
würdigen wird. Die höchste Bedeutung erhalten die Anträge für die
Fortsetzung der mündlichen Verhandlung in einem späteren Termine
und für die Berufung. Die Form der Anträge muß diesem Zwecke
entsprechen. Die Anträge müssen mit Gründen versehen sein, welche
in Kürze die wesentlichen Grundlagen des Antrages bezeichnen, so daß
der Richter ein Bild des Vortrages in seinen wesentlichen Zügen vor
sich hat. Man wende nicht ein, daß die Schwierigkeit der Formulirung
der Anträge diese Vorschrift illusorisch erscheinen lasse. In schwierigen
Sachen werden die Anwälte ihre Anträge bereits ausgearbeitet zur
Sitzung mitbringen. Freilich mag eine unvollständige Formulirung und
ein Verfehlen des Zieles Vorkommen. Wenn der Richter in solchem
Falle das Fehlen eines Jota mit Zurückweisung des Antrages bestrafen
wollte, so würde seine Entscheidung freilich auf die Schriftlichkeit ge-
baut sein, und die mündlich ausgesprochene, dem Richter klar bewußte
Parteiausführung ihre Wirksamkeit verlieren. Es ist deshalb eine ge-
wisse Freiheit des Richters in Benutzung der Anträge, eme Benigna
interpretatio in Erläuterung und Ergänzung derselben aus dem münd-
lichen Parteivortrage nothwendig. Wie der Richter aus dem Material
andre Schlüffe herleiten darf als die Partei es gethan, so soll er auch
das Material, welches die Partei im Anträge auszudrücken unbewußt
unterlassen hat, der Berücksichtigung nicht entziehen.
Hier wartet eine Frage der Erledigung: Wie ist es zu halten,
wenn der mündliche Vortrag mit dem schriftlichen Anträge
nicht im Einklänge steht? Wir können annehmen, daß die Partei
das Interesse hat,, ihren schriftlichen Antrag durch den mündlichen Vor-
trag nach Möglichkeit auszuführen und aufzuklären, daß also in der
Regel beide im Einklänge stehen werden und der zur Frage stehende
Fall nur eine Ausnahme bilden wird. Die benigna interpretatio und
das Fragerecht des Richters werden schon in den meisten Fällen die