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und das sogenannte Prinzip der Mündlichkeit.
eine Unvollständigkeil der richterlichen Information über das dem Rich-
ter übergebene Faktum vorliegen, und den Richter berechtigen, die
Vervollständigung zu verlangen, eventuell zu ergänzen:
Ein Kläger verfolgt die Wittwe seines verstorbenen Schuldners.
Die Schuld selbst steht fest und ist eine errungenschastliche, aber die
verklagte Wittwe. behauptet, unter Vorlegung einer Entsagungsurkunde,
der Errungenschaft entsagt zu haben, was der Kläger für unwirksam
erklärt. Der Richter befragt die Verklagte, ob sie, da es an einer fest-
stehenden Rechtsnorm für den betreffenden Bezirk fehle, eine dahin ge-
hende Observanz behaupten wolle, daß die Wittwe sich durch Entsagung
der Errungenschaft von den errungenschaftlichen Schulden befreien
könne. Die Verklagte resp. ihr Anwalt antwortet, daß das nicht ihre
Sache sei, der Gegner müsse ihre Verpflichtung behaupten und beweisen.
Der Kläger aber beantragt, da die Verklagte diese Behauptung nicht
aufgestellt habe, dieselbe nicht zu berücksichtigen und die Verklagte zu
verurtheilen. Dem Richter entgeht hier durch Jrrthum einer Partei ern
Stück Information, aber die benigna interpretatio muß ihn dahin
führen, die Behauptungen zu subintelligiren, und er wird dem Kläger
den Beweis der Verpflichtung der Verklagten, also den Beweis auflegen,
daß die Verklagte errungenschaftliches Vermögen besitze, oder daß nach
der in dem betreffenden Bezirke geltenden Observanz die Wittwe für
errungenschgftliche Schulden persönlich hafte — der Verklagten den
eventuellen Beweis der observanzmäßigen Wirksamkeit ihres Verzichtes
Nachlassen.
In der Benutzung des Materials zur Fundirung der Anträge
kann die Partei nicht beschränkt sein, weil die Gegenpartei, wenn sie
auch auf eine gewisse Beschränkung des Fakti durch den Umfang des
Vorverfahrens ein prekäres Recht erlangt haben kann, doch auf Fest-
haltung einer bestimmten Rechtsausführung kein Recht erwirbt, der
Richter aber durch die Rechtsausführungen der Partei in der freien
Behandlung des Fakti nicht beschränkt wrrd:
Ein selbstfchuldender Bürge hat für den Hauptschuldner gezahlt
und fordert diese Zahlung zurück, weil der verklagte Gläubiger, obgleich
derselbe ihm versprochen, eine bestimmte Gelegenheit zu seiner Befriedi-
gung durch den Hauptschuldner zu benutzen, dem Versprechen zuwider
sogar die ihm vom Hauptschuldner angebotene Zahlung, wie er später
erfahren, abgewiesen habe. Der Hauptschuldner sei nun fallit' und
flüchtig, der Verklagte aber habe dieses Spiel aufgeführt, um ihn, den
Kläger, von der Verfolgung des Hauptschuldners, den der Verklagte
wegen eigener Beziehungen zu dessen Familie begünstigt habe, abzu-
halten. Er führt aus, der Verklagte haste ex äolo. Nachdem der
Verklagte den dolus widerlegt hat, führt der Kläger aus, die Klage sei.
eine condictio indebiti, indem er, unwissend, daß der Forderung des
Verklagten eine wirksame Exzeption entgegenstand (kr. 26 § 3 de eond.
indeb. 12. 6), also aus Jrrthum, gezahlt habe. Diese Aenderung des
Klagefundamentes kann den Verklagten in seiner Verteidigung nicht
beschränken. Der Richter aber ist so wenig durch die Ausführung be-
Zeitschr. f. Gesetzgebung u. Rechtspflege. UI. Z